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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wäre, wenn ein guter Mann ihr süße Dinge sagte.

    »Nun, du bist nicht hübsch«, sagte sie zu sich,  »und du wirst es auch nie sein, also hör auf zu träumen. Das nächste Mal, wenn er anruft, sagst du ihm die Meinung.«
    Sie stieg aus dem Bett und ging durch den Flur zum Badezimmer, in dem ein Spiegel hing. Violet Devons Beispiel folgend, hatte Nora außer in den Badezimmern nirgends Spiegel.
    Sie mochte sich nicht ansehen, weil das, was sie sah, so betrüblich war. Aber heute nacht wollte sie einen Blick auf sich werfen, weil Strecks Schmeicheleien, wenn auch mit kalter Berechnung ge
    geben, ihre Neugierde geweckt hatten. Nicht daß sie hoffte, irgendein schönes Merkmal zu entdecken, die sie nie zuvor an sich gesehen hatte. Nein. Über Nacht vom häßlichen Entlein zum schönen Schwan ... ein leerer Traum. Vielmehr wollte sie sich bestätigen, daß sie unattraktiv war. Strecks nicht erwünschtes Interesse warf Nora aus der Bahn, weil sie sich in ihrer Reizlosigkeit und Einsamkeit behaglich fühlte. Jetzt wollte sie sich versichern, daß er sich über sie lustig machte und seine Drohungen nicht wahrmachen würde. Ihre friedvolle Einsamkeit würde weiterdauern. Wenigstens redete sie sich das ein, als sie das Badezimmer betrat und das Licht anknipste.
    Der enge Raum war vom Boden bis zur Decke blaßblau, am Fliesenrand weiß gekachelt. Es gab eine riesige Badewanne mit Klauenfüßen. Weißes Porzellan und Messingarmaturen. Den großen Spiegel, der deutliche Altersspuren aufwies.
    Sie betrachtete ihr Haar, von dem Streck sagte, es sei schön, dunkel und glänzend. Aber es war fahlfarben und ohne natürlichen Glanz. Nach ihrer Meinung nicht glänzend, sondern fettig, obwohl sie es am Morgen gewaschen hatte.
    Sie prüfte rasch Stirn, Backenknochen, Nase, Kinnpartie, Lippen. Zog zaghaft mit einer Hand die Linie ihrer Züge nach, entdeckte aber nichts, was einem Mann auffallen mochte.
    Zuletzt starrte sie widerstrebend in ihre Augen, die Streck schön und tiefgründig nannte. Sie waren grau und glanzlos, und sie ertrug es nicht, ihren eigenen Blick mehr als ein paar Sekunden lang zu erwidern. Ihre Augen bestätigten ihr die geringe Meinung, die sie von ihrem Aussehen hatte. Andererseits ... nun, sie sah in ihren Augen einen schwelenden Zorn, der sie beunruhigte, der nicht zu ihr paßte; einen Zorn über das, was sie aus sich hatte werden lassen. Was natürlich überhaupt keinen Sinn ergab. Denn sie war das, was die Natur aus ihr gemacht hatte - eine Maus.
    Als sie sich von dem fleckigen Spiegel abwandte, spürte sie mit einemmal schmerzhaft die Enttäuschung darüber, daß ihre Inspektion zu keiner einzigen Überraschung oder Neubewertung geführt hatte. Im gleichen Augenblick war sie schockiert, ja entsetzt über diese Enttäuschung. Sie stand in der Badezimmertür, schüttelte den Kopf und wunderte sich über ihre wirren Gedanken.
    Wollte sie Streck gefallen? Natürlich nicht. Er war sonderlich, krank, gefährlich. Auf ihn attraktiv zu wirken, war das Allerletzte, was sie wollte. Vielleicht würde sie nichts dagegen haben, wenn ein anderer Mann sie wohlwollend ansah. Nicht aber bei Streck. Eigentlich sollte sie auf die Knie fallen und Gott danken, daß er sie so geschaffen hatte, wie sie war, weil Streck, wäre sie auch nur ein wenig attraktiv, seine Drohungen wahrmachen würde. Er würde herkommen und sie vergewaltigen. Vielleicht sogar ermorden. Wer wußte schon, was in Männern wie ihm vorging? Wer wußte schon, wie weit er gehen würde? Nein, sie war keine nervöse alte Jungfer, wenn sie sich über Mord Gedanken machte, nicht in Zeiten wie diesen: Schließlich waren die Zeitungen voll davon.
    Ihr fiel ein, daß sie ohne Waffe war, und sie eilte ins Schlafzimmer zurück, wo sie das Fleischermesser liegengelassen hatte.
    Die meisten Leute glauben, mit Psychoanalyse könne man Unglück kurieren. Sie sind sicher, sie würden ihre Probleme bewältigen und zu innerem Frieden gelangen, sofern sie ihren Seelenzustand durchschauten und die Gründe für ihre negativen Stimmungen und ihr destruktives Verhalten verstünden. Aber Travis hatte die Erfahrung gemacht, daß dies nicht der Fall war. Er hatte sich jahrelang rücksichtsloser Selbstanalyse gestellt und schon vor langer Zeit herausgefunden, weshalb er zum Einzelgänger geworden war, dem es nicht mehr gelang, Freunde zu gewinnen. Und trotz dieser Erkenntnis war er nicht imstande gewesen, sich zu ändern. Jetzt saß er, während Mittemacht nahte, in der Küche,

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