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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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könnte man weinen. Dreißig Jahre in diesem finsteren alten Haus. Du lieber Gott! Wenn ich daran denke, daß sie das all die Jahre erduldet hat und doch nicht verbittert geworden ist, möchte ich sie an mich drücken und ihr sagen, was für eine unglaubliche Frau sie ist, was für eine starke, mutige, unglaubliche Frau.« Einstein gab keinen Laut von sich und blieb unbewegt liegen. Lebhaft erinnerte Travis sich an den sauberen Shampoogeruch von Noras Haar, den er wahrgenommen hatte, als er sich vor dem Schaufenster einer Gemäldegalerie in Solvang zu ihr beugte. Er atmete tief ein, und da war der Geruch tatsächlich wieder, und der Duft beschleunigte seinen Herzschlag.
    »Verdammt«, sagte er.
    »Jetzt kenne ich sie seit ein paar Tagen, aber ich will verdammt sein, wenn ich nicht angefangen habe, mich in sie zu verlieben.« Einstein hob den Kopf und wuffte, als wollte er sagen, es sei ja auch an der Zeit, daß Travis begriffe, was da geschehe. Er habe sie zusammengebracht, rechne sich ihr zukünftiges Glück als Verdienst an, und das alles sei Teil eines großen Plans. Travis solle doch aufhören, sich darüber Gedanken zu machen und sich einfach im Strom treiben lassen. Travis redete noch eine ganze Stunde lang über Nora, wie sie aussah, sich bewegte, über den Klang ihrer weichen Stimme, ihre einmalige Art, das Leben zu betrachten und überhaupt ihre Art zu denken. Und Einstein hörte aufmerksam und echt interessiert zu, wie es sich für einen wahren, besorgten Freund gehörte. Diese Stunde gab ihm Auftrieb. Travis hatte nicht geglaubt, daß er wieder Liebe empfinden können würde, weder für einen Menschen noch ganz allgemein, und ganz bestimmt nicht so intensiv. Noch vor weniger als einer Woche war ihm seine Einsamkeit als etwas Unbesiegbares vorgekommen. Später, nun körperlich wie seelisch ausgelaugt, schlief Travis ein. Noch später, im hohlen Herzen der Nacht, wurde er halbwach und nahm benommen wahr, daß Einstein am Fenster war. Die Vorderpfoten des Retrievers lagen auf dem Fenstersims, er hatte die Schnauze gegen das Glas gepreßt und starrte in die Dunkelheit hinaus, wachsam.
    Travis spürte die Unruhe des Hundes. Aber in seinem Traum hatte er Noras Hand gehalten, unter dem Herbstmond, und er wollte nicht ganz wach werden, aus Angst, er könnte nicht mehr zu diesem angenehmen Fantasiebild zurückfinden.
    Am Montagmorgen, dem 24. Mai, fanden sich Lemuel Johnson und Cliff Soames in dem kleinen Zoo - eigentlich mehr ein Tiergarten für Kinder - in der ausgedehnten Gemeinde Irvine Park am östlichen Rand des Orange County ein. Die Sonne stand grell und heiß am wolkenlosen Himmel. Auf den mächtigen Eichen regte sich kein Blatt in der unbewegten Luft, aber Vögel schwebten von Ast zu Ast, trillerten und fiepten. Zwölf Tiere waren tot. Sie lagen gleich blutigen Haufen da. Während der Nacht war jemand oder etwas über die Zäune in die Pferche geklettert und hatte drei junge Ziegen, eine weißschwänzige Hirschkuh und ihr gerade zur Welt gekommenes Kitz, zwei Pfauen, einen Feldhasen, ein Mutterschaf und zwei Lämmer hingeschlachtet.
    Dann war noch ein Pony tot, wenngleich es nicht so zugerichtet war wie die anderen. Offenbar war es aus Angst gestorben, als es sich wiederholt gegen den Zaun warf, im Versuch, vor dem zu fliehen, was die anderen Tiere angriff. Es lag auf der Seite, sein Hals war in unwahrscheinlichem Winkel verdreht. Die Wildschweine waren unversehrt geblieben. Sie gruben schnaubend und schniefend in der staubigen Erde rund um den Futtertrog in ihrem separierten Pferch und suchten nach Futter, das vielleicht gestern verschüttet worden war und ihnen bis jetzt entgangen sein mochte. Die anderen Überlebenden waren im Gegensatz zu den Wildschweinen nervös. Die Angestellten des kleinen Parks - ebenfalls nervös hatten sich in der Nähe eines orangefarbenen Lastwagens versammelt, der dem Bezirk gehörte. Sie redeten mit zwei Beamten der Tierbehörde und einem jungen, bärtigen Biologen vom kalifornischen Naturschutz. Lem kauerte neben dem zarten, übel zugerichteten Rehkitz und studierte die Wunden an seinem Hals, bis er den Gestank nicht länger ertragen konnte. Aber nicht alle üblen Gerüche kamen von den toten Tieren. Es gab deutliche Hinweise, daß der Killer seine Opfer, so wie auch in Dalbergs Hütte, mit Kot und Urin bespritzt hatte: Lem drückte sich ein Taschentuch als Filter gegen die Nase und trat neben einen toten Pfau. Der Kopf war dem Tier abgerissen worden, ebenso ein Bein. Die

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