Brandzeichen
länger hierbehalten.« Lem, der auf dem Bettrand saß, meinte:
»Tracy, hab keine Angst, ich könnte denken, du spinnst. Ich glaube, ich weiß, was du gesehen hast, und ich möchte von dir nur eine Bestätigung dafür erhalten.«
Sie starrte ihn ungläubig an.
Walt stand am Fußende ihres Bettes und lächelte auf sie herab, als wäre er ein großer, liebevoller, zum Leben erwachter Teddybär. Er sagte:
»Ehe du die Besinnung verlorst, hast du zu deinem Dad gesagt, der Butzemann habe dich angegriffen, der in deinem Schrank gewohnt hat.«
»Häßlich genug dafür war es«, sagte das Mädchen leise.
»Aber der Butzemann wird's wohl nicht gewesen sein.«
»Dann sag mir, was es war«, bat Lem.
Sie starrte zuerst Walt, dann Lem an und seufzte schließlich.
»Sagen Sie mir doch, was ich gesehen haben soll, und wenn es dem nahekommt, dann sag' ich Ihnen, woran ich mich erinnern kann. Aber ich werde nicht anfangen, weil ich ganz genau weiß, daß Sie dann glauben, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank.«
Lem sah Walt mit unverhohlener Enttäuschung an. Er erkannte, daß es jetzt nicht mehr zu vermeiden war, daß einige der Fakten des Falles preisgegeben wurden.
Walt grinste. Zu dem Mädchen gewandt, sagte Lem:
»Gelbe Augen.« Sie atmete hastig ein, wurde starr.
»Ja! Das wissen Sie also, oder? Sie wissen, was es war.« Sie wollte sich aufsetzen, zuckte vor Schmerz zusammen, als sie dabei ihre Wunde strapazierte, und sank wieder ins Bett zurück.
»Was war es? Was war es?«
»Tracy«, sagte Lem,
»ich darf dir nicht sagen, was es war. Ich habe einen Geheimhaltungseid unterzeichnet. Wenn ich den verletze, kann man mich ins Gefängnis stecken. Aber was viel wichtiger ist... ich würde den Respekt vor mir selbst verlieren.«
Sie runzelte die Stirn und nickte schließlich.
»Ich denke, das kann ich verstehen.«
»Gut. Und jetzt sag mir alles, was du weißt.« Wie sich herausstellte, hatte sie nicht viel gesehen, weil es finster gewesen war und ihre Taschenlampe den Outsider nur einen Augenblick lang beleuchtet hatte.
»Ziemlich groß für ein Tier... vielleicht so groß wie ich. Die gelben Augen.« Sie schauderte.
»Und das Gesicht war... so seltsam.«
»Inwiefern?«
»Knollig... ohne Form«, sagte das Mädchen. Obwohl sie schon zu Anfang sehr bleich gewesen war, wurde sie jetzt noch bleicher, an ihrem Haaransatz tauchten winzige Schweißtropfen auf, ihre Stirn wurde feucht. Walt stützte sich auf das Gitter am Fußende des Bettes, vorgebeugt, ungeheuer interessiert, um sich nur ja kein Wort entgehen zu lassen. Ein plötzlicher Santa-Ana-Wind rüttelte am Gebäude und erschreckte das Mädchen. Sie schaute angsterfüllt zum klappernden Fenster, wo der Wind klagend vorbeistrich, als hätte sie Angst, etwas würde die Scheiben zertrümmern und hereinkommen. Genauso, erinnerte sich Lem, hatte sich der Outsider Zugang zu Wes Dalberg verschafft. Das Mädchen schluckte.
»Sein Maul war riesig... und die Zähne...« Sie konnte nicht zu zittern aufhören, und Lem legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Es ist schon in Ordnung, Kleines. Jetzt ist es ja vorbei. Du hast das alles hinter dir.« Nach einer kleinen Pause, um sich zu beruhigen, aber immer noch zitternd, sagte Tracy:
»Ich glaube, es war irgendwie haarig... oder hatte ein Fell... ich bin nicht sicher. Aber es war sehr stark.«
»Welcher Art von Tier hat es denn ähnlich gesehen?« fragte Lem. Sie schüttelte den Kopf.
»Gar keinem.«
»Aber wenn du sagen müßtest, daß es einem Tier glich, würdest du dann sagen, daß es eher wie ein Puma ausgesehen hat?«
»Nein, kein Puma.«
»Wie ein Hund?«
Sie zögerte.
»Vielleicht... ein klein wenig wie ein Hund.«
»Vielleicht auch ein klein wenig wie ein Bär?«
»Nein.«
»Wie ein Panther?«
»Nein. Gar nicht wie eine Katze.«
»Wie ein Affe?« Sie zögerte wieder, runzelte die Stirn, dachte nach.
»Ich weiß nicht, warum ... aber, ja, vielleicht ein wenig wie ein Affe. Nur daß kein Hund und kein Affe solche Zähne haben.« Die Tür zum Korridor öffnete sich, Dr. Selbok tauchte auf.
»Die fünf Minuten sind bereits um.« Walt wollte den Arzt hinauswinken. Aber Lem sagte:
»Nein, es ist schon gut. Wir sind fertig. Eine halbe Minute noch.«
»Ich werde die Sekunden zählen«, sagte Selbok und zog sich zurück. Zu dem Mädchen gewendet, sagte Lem:
»Kann ich mich auf dich verlassen?« Sie sah ihm in die Augen und sagte:
»Daß ich den Mund halte?« Lem nickte. Sie sagte:
»Ja.
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