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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Wochen stundenlange Gespräche geführt, waren überrascht gewesen, wie leicht es ihnen fiel, voreinander intime Gefühle und Gedanken auszubreiten. Sie hatte erfahren, warum er trotz seines guten Aussehens und seiner relativen Wohlhabenheit allein lebte.
    Und er hatte erfahren, warum sie eine so geringe Meinung von sich hatte. Als sie dann einfach kein Mousse mehr hinunterbrachte und Travis anflehte, sie sofort nach Hause zu bringen, sagte er leise:
    »Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, dann schwitzt Violet Devon heute nacht in der Hölle.« Schockiert sagte Nora:
    »O nein, so schlecht war sie nicht.« Auf dem ganzen Nachhauseweg blieb er stumm und brütete vor sich hin. Als er sich an ihrer Tür von ihr verabschiedete, bestand er darauf, daß sie einen Termin mit Garrison Dilworth vereinbare, der der Anwalt ihrer Tante gewesen war und Nora jetzt in kleineren juristischen Angelegenheiten beriet.
    »Nach allem, was Sie mir gesagt haben«, meinte Travis,  »hat Dilworth Ihre Tante besser gekannt als sonst jemand, und ich wette Dollars gegen Schmalzkrapfen, daß er Ihnen genug über sie erzählen kann, damit dieser verdammte Würgegriff sich endlich löst, mit dem sie Sie selbst aus dem Grab heraus noch festhält.«
    »Aber es gibt keine finsteren Geheimnisse um Tante Violet«, sagte Nora.
    »Sie war genau so, wie sie auf die Leute wirkte: in Wirklichkeit eine ganz einfache Frau. Und irgendwie traurig.«
    »Traurig. Daß ich nicht lache«, sagte Travis. Er ließ nicht locker, bis sie sich schließlich einverstanden erklärte, den Termin mit Garrison Dilworth zu vereinbaren. Als sie oben in ihrem Schlafzimmer versuchte, das Diane-Freis-Kleid auszuziehen, stellte sie fest, daß sie sich gar nicht ausziehen wollte. Den ganzen Abend über hatte sie sich ungeduldig danach gesehnt, aus der Kostümierung herauszukommen - ihr war es wie eine Kostümierung erschienen. Jetzt, im Rückblick, lag ein warmer Glanz über dem Abend, und diesen Glanz, diese Wärme wollte sie sich erhalten. Also ging sie wie eine sentimentale Oberschülerin mit dem Fünfhundert-Dollar-Kleid ins Bett. Garrison Dilworth' Büro war in seiner Ausstattung sorgfältig darauf ausgerichtet, Ehrbarkeit, Stabilität und Verläßlichkeit auszustrahlen. Eine wunderschön gearbeitete Eichenvertäfelung. Schwere königsblaue Gardinen, die an Messingstangen hingen. Regale mit in Leder gebundenen Gesetzesbüchern. Ein wuchtiger Eichenschreibtisch. Der Anwalt selbst war eine interessante Mischung aus Würde, Rechtschaffenheit - und Weihnachtsmann. Groß, ziemlich behäbig, mit dichtem silbergrauen Haar, über siebzig, aber immer noch die ganze Woche tätig, trug Garrison mit Vorliebe Anzüge mit Weste und Krawatten in gedeckten Farben. Trotz der vielen Jahre, die er als Kalifornier gelebt hatte, wies ihn seine tiefe, kultivierte Sprechweise deutlich als ein Produkt der Oberklasse der Ostküste aus, in diese hineingeboren, in ihr aufgewachsen und erzogen. Aber da war auch ein unzweifelhaft schelmisches Leuchten in den Augen, sein Lächeln kam rasch, war voll Wärme, eben ganz Weihnachtsmann. Er schuf keinen Abstand, indem er hinter seinem Schreibtisch sitzen blieb, sondern setzte sich mit Nora und Travis in behagliche Armsessel an einen niedrigen Tisch, auf dem eine große Waterford-Schale stand.
    »Ich weiß nicht, was Sie hier zu erfahren hoffen. Es gibt keine Geheimnisse um Ihre Tante. Keine großen, düsteren Enthüllungen, die Ihr Leben verändern werden ...«
    »Das habe ich gewußt«, sagte Nora.
    »Tut mir leid, daß wir Sie belästigt haben.«
    »Warten Sie«, sagte Travis.
    »Lassen Sie Mr. Dilworth ausreden.« Der Anwalt fuhr fort:
    »Violet Devon war meine Mandantin, und ein Anwalt hat die Verpflichtung, die Angelegenheiten seiner Mandanten auch über deren Tod hinaus vertraulich zu behandeln. Das ist wenigstens meine Ansicht, obwohl es in meinem Berufsstand durchaus Leute gibt, die sich nicht so lange daran gebunden fühlen. Da ich mit Violets engster Angehöriger und Alleinerbin spreche, gibt es wahrscheinlich sehr wenig, was ich Ihnen vorenthalten würde - falls es tatsächlich irgendwelche Geheimnisse zu enthüllen gebe. Ganz bestimmt sehe ich keine moralischen Hindernisse, die mich davon abhalten könnten, eine ehrliche Meinung über Ihre Tante abzugeben. Selbst Anwälten, Priestern und Ärzten ist es erlaubt, eine Meinung über Leute zu haben.« Er atmete tief durch und runzelte die Stirn.
    »Ich habe sie nie gemocht. Ich empfand sie als engstirnige,

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