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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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total selbstsüchtige Frau, die zumindest leicht... nun, sagen wir geistig labil war. Und die Art und Weise, wie sie Sie aufgezogen hat, war verbrecherisch. Nora. Ich meine nicht verbrecherisch im juristischen Sinne, also in einer Art und Weise, die die Behörden interessieren würde, aber nichtsdestoweniger verbrecherisch. Und grausam.«
    Solange Nora sich zurückerinnern konnte, hatte sie immer das Gefühl gehabt, es gäbe da irgendwo in ihrem Inneren einen straffen Knoten, der lebenswichtige Organe und Blutgefäße einengte, Verkrampfungen erzeugte, ihren Blutkreislauf behinderte und sie zwang, mit halbwachen Sinnen zu leben, sich schleppend zu bewegen, als wäre sie eine Maschine, die nur ungenügend mit Energie versorgt wurde. Garrison Dilworths Worte lösten jenen Knoten plötzlich. Zum ersten Mal fühlte sie das Leben ungehindert durch sie hindurchströmen. Ihr war immer bewußt gewesen, was Violet Devon ihr angetan hatte. Aber es zu wissen, reichte nicht, die harten Jahre innerlich zu überwinden. Ein anderer mußte ihre Tante verurteilen. Travis hatte Violet bereits angeprangert, und schon das war für Nora eine kleine Erleichterung gewesen. Aber es reichte nicht, sie ganz zu befreien. Denn Travis hatte Violet nicht gekannt, sein Urteil war deshalb nicht gewichtig genug. Garrison hingegen kannte Violet gut, und seine Worte befreiten nun Nora aus ihrem Joch. Sie begann zu zittern, Tränen rannen ihr über das Gesicht, aber beides war ihr nicht bewußt, bis Travis sich aus seinem Sessel herüberbeugte und ihr tröstend die Hand auf die Schulter legte. Sie tastete in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch.
    »Es tut mir leid.«
    »Meine liebe Lady«, sagte Garrison,  »entschuldigen Sie sich nicht dafür, daß Sie diesen eisernen Panzer sprengen, in dem Sie Ihr ganzes Leben lang gesteckt haben. Es ist das erste Mal, daß ich bei Ihnen eine starke Gefühlsregung erlebe, das erste Mal, daß ich Sie in einem anderen Zustand als dem extremer Scheu sehe, und das ist wirklich reizend anzusehen.« Er drehte sich zu Travis herum, Nora damit Zeit gebend, sich die Augen abzutupfen, und sagte:
    »Was haben Sie denn sonst noch von mir zu hören gehofft?«
    »Es gibt einige Dinge, die Nora nicht weiß, Dinge, die sie wissen sollte und von denen ich nicht glaube, daß die Preisgabe selbst Ihren strengen persönlichen Kodex verletzen würde.«
    »Was zum Beispiel?« Travis sagte:
    »Violet Devon hat nie gearbeitet und doch in relativem Wohlstand gelebt, war nie in Not und hat genügend hinterlassen, daß es für Nora für den Rest ihres Lebens reicht, wenigstens so lange, als sie in diesem Haus bleibt und ein Einsiedlerleben führt. Woher kam ihr Geld?«
    »Woher es kam?« Garrison klang überrascht.
    »Das weiß Nora doch sicherlich.«
    »Nein, das tut sie nicht«, sagte Travis. Nora blickte auf und sah, daß Garrison Dilworth sie erstaunt ansah. Er blinzelte und sagte:
    »Violets Mann war in bescheidenem Maße wohlhabend. Er starb ziemlich jung, und sie erbte alles.« Nora starrte ihn mit aufgerissenen Augen an und fand kaum den Atem zu sprechen.
    »Mann ?«
    »George Olmstead«, sagte der Anwalt.
    »Den Namen habe ich nie gehört.« Garrison blinzelte wieder rasch, als ob ihm Sand in die Augen geflogen wäre.
    »Sie hat nie einen Gatten erwähnt?«
    »Nie.«
    »Aber hat denn nie ein Nachbar...«
    »Wir hatten mit unseren Nachbarn keinerlei Kontakt«, sagte Nora.
    »Violet hielt nichts von ihnen.«
    »Jetzt, wo ich es mir überlege«, sagte Garrison,  »kann es durchaus sein, daß links und rechts von Ihnen bereits neue Nachbarn wohnten, als Sie zu Violet kamen.« Nora schneuzte sich und steckte ihr Taschentuch weg. Sie zitterte immer noch. Das Gefühl, plötzlich aus den Ketten der Sklaverei befreit zu sein, hatte machtvolle Gefühle erzeugt, die aber jetzt der Wißbegierde Platz machten.
    »Geht's wieder?« fragte Travis. Sie nickte, sah Travis dann eindringlich an und sagte:
    »Sie haben es gewußt, nicht wahr? Das mit dem Mann, meine ich. Deshalb haben Sie mich hierhergebracht.«
    »Geahnt habe ich es«, sagte Travis.
    »Hätte sie alles von ihren Eltern geerbt, würde sie das erwähnt haben. Die Tatsache, daß sie nicht darüber redete, woher das Geld kam ... nun, mir schien das nur eine Möglichkeit offenzulassen -ein Mann, und höchstwahrscheinlich einer, mit dem sie Schwierigkeiten hatte. Und es ergibt sogar noch mehr Sinn, wenn man bedenkt, wie wenig sie von den Menschen im allgemeinen und von Männern im

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