Brann 01 - Seelentrinkerin
Tonnengewölben, groß genug, um darin den Markt des Fremdenviertels zu veranstalten und noch Platz übrig zu haben. Hunderte von gläsernen und goldenen Lampen leuchteten an den Wänden, baumelten an vergoldeten Ketten unter den Deckengewölben, pendelten leicht in der schwachen Zugluft, warfen ein immerfort wechselndes Muster von Schatten auf den Fußboden und die Gestalten der rings um die Matten versammelten Zuschauer; wie es den Anschein hatte, hockte dort die Mehrzahl der Durater Meslar-Adeligen. Auf der zwei Dutzend Stufen hohen Empore saß Kaiser Abanaskrasnjinga auf einem aus Holz geschnitzten vergoldeten Thron vor einem ebenso beschaffenen Wandschirm. Taguiloa beobachtete die Bewegung dunkler Gestalten hinter dem Wandschirm, wahrscheinlich der Ehefrauen, Konkubinen und einiger älterer Kinder des Kaisers. Seine gegenwärtige Hauptgemahlin hatte ihren Platz sechs Stufen unterhalb seines Throns, ihr Kopf befand sich in der Höhe seiner Knie. Zu ihren Füßen kauerte auf einem Sitzkissen ein kleiner Knabe mit starrem herrischen Gesichtsausdruck; er war nicht älter als vier oder fünf Jahre und zur Zeit der rechtmäßig eingesetzte Erbe, der Lieblingssohn unter den zahlreichen Söhnen des alten Abanaskranjinga. Der Empore am nächsten saßen keine Meslar, sondern eine Anzahl düster gekleideter Temueng der gleichen rassischen Mischung wie die Dondi, und hinter ihnen stand eine Gruppe Männer und Weiber in schweren braunen Kutten, deren Kapuzen die Gesichter überschatteten.
Taguiloa beendete seinen Scherztanz und verbeugte sich, vermied es, dem Kaiser in die schwarzen habgierigen Augen zu schauen, hungrigen Augen, deren Blick ihn zu kosen, zu verschlingen schien. Während der Darbietung hatte der Kaiser gelacht, sich auf den Schenkel geschlagen, sich nach vorn geneigt und seiner Gattin etwas ins Ohr geflüstert. Er hatte habsüchtige, gierige Augen. Kein Wunder, daß Maratullik dem Kaiser eine Ablenkung bot, um seinen Blick von sich abzuwenden. Taguiloa vollführte noch eine Verbeugung und begab sich hinter die Wandschirme.
Brann reichte ihm einen Becher Tee und ein Handtuch. »Es läßt sich ganz gut an«, bemerkte sie leise.
Harra kam, um ihre Reifen und Fingerglöckchen zu holen. »Es läuft ganz gut«, sagte sie halblaut, blickte dann verdutzt von Taguiloa zu Brann, als die beiden überstürzt ihr Auflachen dämpften. »Narren!« fügte sie gutmütig hinzu, wandte sich ab, schlug den kleinen Gong, dessen Ton Linjijan und Negomas ihr Bereitsein mitteilte, und wartete auf ihr Zeichen.
Taguiloa schlürfte Tee, betrachtete Brann. Sie war inwendig dermaßen angespannt, daß nur noch eine Kleinigkeit fehlte, und sie mußte irgendeinen Zusammenbruch erleiden. Mit einem Tritt schleuderte er ein Kissen in ihre Richtung, nahm neben ihr darauf Platz. Nach kurzem Zögern senkte er eine Hand auf ihre Hand, die feucht war, kalt und hart wie Eiche. »Was ist nicht in Ordnung?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht. Es ist, als ob die Luft selbst mich drückt. Angst vorm Auftritt ist's wohl nicht. Ich habe keine Ahnung.« Einige Augenblicke lang schwieg sie. Still saßen sie beide da, lauschten der Musik, dem Tappen von Harras Füßen, dem Schellen ihrer Glöcklein. »Wer sind die Leute in den braunen Kutten?«
»Ist mir unbekannt.«
»Ich habe Furcht, Taga.«
Taguiloa tätschelte ihre Hand, sagte jedoch nichts. In Branns Fall hatten schöne Lügen keinen Sinn; dafür empfand er selbst viel zu starke Beunruhigung. Er hatte den
Kaiser aus seiner Schlaffheit aufgescheucht, ihm Gelächter abgenötigt; auch den Zuschauern hatte er ein gewisses Wohlwollen abgerungen. Aber diese Anerkennung war gewissermaßen um Haaresbreite unecht, es mangelte ihr an etwas, das er nicht zu benennen vermochte, dessen Fehlen er jedoch ebensowenig übersehen konnte. Der Erfolg freute ihn, aber ihn wurmte es, ihn nicht ohne dies anhaltende Gefühl eines Mißstands genießen zu dürfen.
Die Musik verstummte. Spärlicher Beifall erklang. Harra kehrte zurück hinter die Wandschirme, man sah ihr Verdruß und Erbitterung an, sie streifte die Glöckchen von den Fingern, die Reifen von den Armen. »Sie sind halb tot. Da waren mir die Flegel vorgestern abend ja noch lieber.« Mit der Genauigkeit mühsam bezähmten Ärgers legte sie die Armreifen und Glöckchen auf dem Tisch ab, ging mit finsterer Miene zum Tisch mit den Speisen und Getränken. Sie schenkte sich einen Becher voll Tee, trank ihn hastig leer, füllte ihn von neuem.
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