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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Hand fest um den Arm ihres Bruders. Er zuckte zusammen, schrak diesmal jedoch nicht zurück. Die Hexe hält nochmals im Zimmer Umschau, dann verläßt auch sie es. Ich bleibe, wo ich bin, der Länge nach unterm Bett. Ich denke so angestrengt nach wie noch nie, das kannst du mir glauben. Kein Wunder, daß der Tekora seine anderen Weiber vernachlässigt. Er sieht jünger aus. Seine Haut ist sanfter und geschmeidiger als vorher, er ist fülliger geworden, bewegt sich wie ein jüngerer Mann. Jetzt verstehe ich, wie die Hexe ihn sich fügsam macht, und dann wird mir klar: In Kürze wird er keine Töchter mehr haben, er wird sich bald an den Fronmaiden vergreifen — viel zu bald für meinen Geschmack. Wie hoch ist die Aussicht, überlege ich, daß sein Kadda-Weib als erstes Opfer mich auswählt? Keine von uns Hina wird das Ende des Fronjahrs erleben. Ich warte lange unter dem Bett, weil ich befürchte, die Hexe könnte wiederkommen und mich erschnüffeln, aber alles bleibt ruhig. Als ich das erste Zwitschern der Singvögel draußen in den Weiden höre, krieche ich unterm Bett hervor, es ist ja ein Vorzeichen naher Morgendämmerung. Und wenn du den Rest deines Lebens in der Fremde verbringen mußt, sage ich mir, du kletterst das Kliff hinab. Unverzüglich. Schluß mit allem Für und Wider oder Vielleicht. Nichts wie weg. Fort. So weit wie möglich und so schnell wie möglich. Die letzte Tochter schlummert noch, ebenso die Fronmaid, doch binnen kurzem muß eine von ihnen aufwachen, und sobald sie sieht, daß auch die drittälteste Tochter verschwunden ist, wird das Geschrei losgehen. Ich trete den Keil beiseite und reiße die Gartentür auf. Die Kadda-Hexe lauert im Garten. Kaum zwei Schritte kann ich tun, ehe sie mich faßt. Ich will mich ihr entwinden, doch ihre kalten Hände sind so hart und stark wie eiserne Ketten, und irgendwie entziehen sie mir die Kräfte. Es kommt mir so vor, als ob sie mir die Körperkraft aussaugt. Ich gerate vor Furcht nachgerade um den Verstand. Ich fürchte nämlich, sie wird mich an Ort und Stelle aussaufen und bloß eine verschrumpelte Hülse übriglassen. Aber sie tut's nicht, sie führt mich zurück in den Kinderhort und durchs Schlafzimmer in den Korridor. Ich gehe mit ihr, ohne einen Ton von mjr zu geben, obwohl ich zu schreien versuche, bringe ich keinen Laut heraus. Irgend etwas bewegt meine Beine, als wäre ich eine Marionette in einem Heiligenstück. Nur wird hier ein ganz und gar unheiliges Stück gespielt. Die Hexe geleitet mich im Palast nach oben, in eine kleine Kammer unterm Dach, stößt mich hinein, und im nächsten Augenblick verspüre ich Schmerz im Hinterkopf. Als ich aufwache, ist es wieder dunkel — oder noch immer dunkel, ich weiß es nicht. Ich hänge an einem Eisengerüst, vergleichbar mit dem Rahmen eines Betts, senkrecht aufgestellt, Hände und Füße sind mir mit Stricken an die Ecken gefesselt. In den Mund hat man mir einen Knebel gestopft, wahrscheinlich wegen des offenen Fensters hoch im Gemäuer zu meiner Rechten, und es riecht stark nach Anis, allmählich habe ich von Anis genug. Der Geruch ist schal, als erfülle er schon lange die Luft in der Kammer, er macht mir wieder gehörige Furcht, mehr Furcht, als wäre er frisch. Sie hatten die Tochter noch nicht ausgesaugt, und es sah ganz so aus, als sollte diesen Monat statt ihrer ich herhalten. Meine Handgelenke und Fußknöchel brennen vom Scheuern der Stricke, mein Mund fühlt sich wie Leder an, der Kopf, als hätte jemand dagegengetreten. Nach kurzer Panik fingere ich an den Stricken herum, bin fast aus dem Häuschen vor Erleichterung, als ich bemerke, daß ich von Knoten mehr verstehe als derjenige, der mich gefesselt hat. Ich kann mich befreien und mache mich daran, einen Fluchtweg zu suchen. An der Innenseite der Tür ist keine Klinke, ich sehe nur ein Loch für eine Kordel oder möglicherweise einen Steckschlüssel. In der Dachkammer findet sich nichts, das ich zum Öffnen der Tür verwenden könnte. Ich zerre das Gerüst ans Fenster und klimme hinauf, um hinauszuschauen, ich klettere vorsichtig, das Gestell quietscht, als müßte es auseinanderbrechen, wenn ich bloß zu kräftig atme. Ich kann mich zum Fenster hinauslehnen und nach unten schauen. So gut wie nichts ist zwischen mir und dem Wasser zu sehen als ein steiles abgestuftes Kliff, die Brandung zwischen den schwarzen Klippen sieht aus wie weiße Runzeln. Weit, weit unten. Der Wind weht mir ins Gesicht, kalt und feucht, aber er tut mir gut. Da

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