Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
die Klinge geölt. Räche damit den Tod ihres Vaters, als wenn es der deine gewesen wäre.«
    Bran nahm das Schwert mit der linken Hand. Es war leichter als die Axt. Als er die Arme zur Seite streckte und die Waffen in seinen Händen wog, schienen diese ihn zu wärmen, als sprächen sie zu ihm und als flößten sie ihm Kraft ein.
    »Das sind gute Waffen.« Er führte sie kreuz und quer vor seiner Brust entlang. »Sie liegen gut in den Händen.«
    Visikal deutete auf seinen Mund. »Sei still«, sagte er. »Dann hörst du sie von Tod und Verwüstung singen und von gewaltigen Schlachten.«
    Bran blieb stehen, während der Skerg eine Fackel nahm und noch einmal an der Wand entlanglief. Er hörte nichts.
    »Wir haben alle ein Tier im Geist.« Visikal sprach leise und langsam. »Das ist das Tier, zu dem uns der Geweihtragende gemacht hätte, wenn wir keine Menschen geworden wären. Welches Tier wärest du, Tileder?«
    Bran dachte nach, denn eine solche Frage war ihm nicht fremd. Dielan hatte oft davon gesprochen, dass sie alle einem bestimmten Tier glichen. Hagdar war ein Bär, und Turvi hatte mit seinem langen Bart den Ausdruck eines Jagdhundes. Doch sich selbst hatte Bran nie in der Gestalt eines Tieres gesehen.
    »Ich weiß nicht«, sagte Bran. »Das ist nicht so wichtig.«
    »Doch, das ist wichtig.« Visikal sah ihn über die Fackel hinweg an. »Das ist wichtig für Cernunnos.«
    Bran ließ die Waffen sinken und lehnte sich mit dem Rücken an den Tisch. Der Skerg schien jetzt etwas gefunden zu haben, denn er legte die Fackel auf den Boden und beugte sich zu etwas hinunter, das über einem Schild hing. Als er es abnahm, erkannte Bran, dass es ein Helm war.
    »Den sollst du tragen.« Visikal ließ die Fackel liegen und kam mit dem Helm auf ihn zu. Er war rußig wie die Schulterplatten. Über dem Kiefer war das Gesicht ungeschützt, doch die Öffnung verschmälerte sich zur Nasenplatte hin, so dass schließlich nur noch eine schmale Spalte vor den Augen ausgespart war. Der Hals war mit einem handbreiten Kettennetz geschützt.
    Visikal setzte Bran den Helm auf. Das Eisen lag kalt auf Nase und Wangenknochen. Das Kettennetz lag wie ein Eisenkragen um seinen Hals herum. Der Helm war mit Leder gefüttert und saß so gut wie eine Pelzmütze. Bran nahm den Geruch von geöltem Eisen wahr. Er hob die Waffen an, betrachtete sie durch die Sehschlitze und hörte seinen eigenen Atem, schwer und fauchend, als ob der Helm alle Geräusche verzerrte. Doch jetzt spürte er auch noch etwas anderes. Die Krallen ließen los. Der Schmerz über den Augen, an den er sich so gewöhnt hatte, löste sich und kroch in den Nacken hinunter. Und dort schien er von dem Kettennetz getötet zu werden, denn er konnte nichts mehr spüren.
    »Meine Ahnen sprechen zu dir.« Visikal trat in eine dunkle Ecke hinter dem Tisch. Dort beugte er sich hinunter zu einer Tonne. Er stieß mit dem Ellbogen den Deckel auf und holte zwei Bronzebecher aus der gleichen Ecke. Er tauchte sie in die Tonne und stellte sie auf den Tisch.
    »Sie sprechen durch den Helm zu dir, den sie trugen. Denn dies ist der Helm meines Vaters und des Vaters meines Großvaters, Bran.«
    Bran nahm den Becher entgegen. Der Helm seines Vaters… Er dachte nach, während er trank, und als er den Becher geleert hatte, fühlte er sich mutig genug, zu fragen.
    »Warum gibst du mir all das? Ein Mann soll so etwas an seinen Sohn vererben, aber…«
    »Treue.« Visikal stellte den Becher auf den Tisch und schob ihn zu den Waffen hinüber, als wollte er sich nicht verleiten lassen, noch mehr zu trinken. »Du sollst mir für diese Waffen deine Treue geben, und dafür sollst du Tir bekommen.«
    Bran beobachtete ihn, als er hin und her zu laufen begann. Plötzlich lehnte sich der Skerg über den Tisch, nahm den Becher und trat an das Weinfass.
    »Ich bin ein Mann, der über seine Sorgen schweigt.« Er führte den Becher an die Unterlippe und schüttete den Wein in sich hinein. Dann schleuderte er den leeren Becher gegen die Tür. Bran hörte, wie er über den Boden rollte. Dann stieß er mit einem Klingen gegen etwas und blieb liegen.
    »Tir ist meine einzige Blutsverwandte«, sagte Visikal. »Deshalb war es für mich eine große Trauer, als ich von Fa Ton hörte. Mein Bruder und alle seine Kinder waren umgekommen, glaubte ich. Doch dann kommt Tir nach Hause. Tir, die Galuene!«
    Bran glaubte, eine Spur von Verachtung in Visikals Stimme zu hören, und das gefiel ihm gar nicht. Es war seine Frau, über die der

Weitere Kostenlose Bücher