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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Knie gebeugt dasaß. Auch dieser Mann hatte seine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er hatte ein faltiges Gesicht, und seine Nase war krumm wie der Schnabel eines Falken. Er hielt einen Dolch in der Hand, mit dem er seine Zehennägel reinigte. Als Bran und Visikal sich neben ihm hinknieten, zuckte er zusammen und fluchte.
    »Ich habe mich geschnitten«, beklagte er sich. »Du willst es ja nicht anders, alter Visikal. Ich werde noch ein Lied über dich schreiben, und das wird noch übler werden als das letzte!«
    »Niemand reizt den Sänger, ohne nicht ein Spottlied zu ernten«, flüsterte Visikal Bran zu.
    »Das ist richtig.« Der Sänger neigte den Kopf zur Seite. »Und ich hatte niemals einen Tileder, der nicht auch ein Lied bekommen hätte. Du wirst also wohl auch etwas zu hören bekommen, du fremdes Gesicht aus dem nördlichen Licht!«
    Bran und Visikal ließen ihn in Ruhe. Sie waren an das Achterende des Schiffsrumpfes gekommen, wo sich Hagdar und Nangor noch immer unterhielten. Nangor sei der Siebte von Brans zehn Männern, erklärte Visikal.
    Die drei Letzten saßen an den Rudern und Bran grüßte sie, während er sich an den Balken und Tauen unterhalb der Decke festhielt. Der Achte hatte ein rot gesprenkeltes Gesicht und nannte sich Sturm, und der Neunte, Sturms Bruder, sah Bran mit seinem einen Auge an und murmelte »Zwei Messer«, als Bran grüßte. Visikal klärte ihn auf und sagte, das seien nicht ihre richtigen Namen, sondern Namen, die sie sich selbst gegeben hätten und die sie tragen wollten, bis sie ihre Eltern gerächt hätten. Bran fragte nach, und Visikal erzählte aus seiner Jugend, als einige Tirganer von Tirga aus ins Landesinnere aufgebrochen seien. Dort hätten sie das Land gepflügt und Getreide gesät, doch bereits im ersten Winter wären sie von einer Räuberbande überfallen worden. Es hieß, Zwei Messer habe sein Auge verloren, als er – gerade fünf Winter alt – mit der Waffe seines getöteten Vaters weitergekämpft habe. Die Brüder flüchteten in die eisigen Winde hinaus und kamen zurück nach Tirga, obgleich Schnee und Frost Sturms Gesicht zerfressen hatten.
    Der Letzte von Brans Männern war ein alter Krieger. Er trug einen grauen Bart und Haare, die ihm bis zur Hüfte reichten. Er beugte sich tief über das Ruder, als Bran fragte, wer er sei.
    »Die Gerüchte besagen, du seist Tirs Mann«, flüsterte er, als wolle er nicht, dass Visikal es hörte. »Das ist gut. Ich habe immer gesagt, dass sie heiraten soll. Und ich werde auf dich aufpassen, Tileder, damit du wieder nach Hause kommst.«
    Die Worte ließen Bran an sie denken. Jetzt, da das Langschiff in den Wellen zitterte, erschien sie ihm wie ein warmer unwirklicher Traum. Es schien Jahrzehnte her zu sein, dass er beim Aufwachen ihre Haare auf seinem Hals gespürt hatte. Doch noch immer hing ihr Duft in seinem Umhang.
    »Wie heißt du?«, fragte er.
    »Tarba«, erwiderte der Alte. »Nach meinem Vater. Friede seinem Schädel, der von den Feinden genommen wurde.«
    Da knallte die Luke, und ein paar Stiefel traten unmittelbar hinter Bran und Visikal auf die oberste Stufe der Treppe. Der Steuermann klammerte sich an der Decke fest, während er versuchte, die Luke zu schließen, denn in diesem Moment legte sich das Schiff auf die Seite.
    »Haltet euch fest!«, rief Visikal, und Bran klammerte sich an den nächsten Balken. Von dort aus sah er die Welle, die sich über die Reling in Richtung Mast warf.
    »Die Luke!«, brüllte Visikal. »Mach die Luke zu, Sennan!«
    Doch Sennan lag auf dem Rücken im Sand, und als die Welle über das Deck spülte, trieb er mit dem hereinschießenden Wasser zum Rand des Schiffes hinüber. Bran wartete, bis sich das Langschiff wieder mit den Wellen hob. Dann kletterte er die Treppe hoch, steckte den Kopf durch die Öffnung und packte die Luke. Er konnte gerade noch Vosnabar erkennen, der sich am Ruder festgebunden hatte, bevor sich eine weitere Welle über die Reling warf. Sie riss ihm die Luke aus der Hand, und dann spürte er einen Stoß im Rücken. Wasser spülte über ihn, und er fand sich auf dem Rücken im Sand wieder. Als er sich erheben wollte, war Hagdar zur Stelle. Wie ein Lachs in einem Wasserfall kletterte er die Treppe empor, und als Bran und Sennan sich aus dem Sand aufrappelten, schlug die Luke zu.
    »Das ist ein Wetter«, hustete Hagdar. »Wenn das so weitergeht, werden wir uns bald Kiemen wünschen!«
    Bran wusste darauf nichts zu antworten. Er war froh, dass sich die Welle

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