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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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hatte dicke Schwielen an den Händen, was ihn überraschte, denn er hatte immer geglaubt, er sei härter als die Menschen im Süden.
    Da bemerkte er es. Ein paar Pfeilschüsse vor den Schiffen brachen sich die Wellen an etwas. Visikals Schiff war das Erste der Flotte, und Bran erinnerte sich, was Dielan über die Insel hier draußen gesagt hatte. Fa Ton, die Insel, von der Tir geflohen war, sollten sie finden.
    »Da!« Er deutete auf den weißen Rand vor dem Schiff. »Da ist es flach!«
    Hagdar wartete, bis sich das Schiff wieder mit einer Welle hob.
    »Die versunkene Insel.« Er hielt sich die Hand über die Augen und nickte. »Das muss sie sein. Aber ich weiß nicht, wie wir bei dem Wetter an Land kommen sollen. Die Wellen sind zu hoch.« Das Schiff versank wieder in einem Wellental. Es war hart für die Ruderer, wenn der Schiffskörper mit den Wassermassen kämpfte.
    Bran wankte zum Achterende zurück. Visikal stand breitbeinig am Ruder. Ein Tau führte vom Achtersteven zum Mast, an dem Bran sich festhalten konnte.
    »Zwei Pfeilschüsse«, sagte er. »Zwei Pfeilschüsse vor uns brechen sich die Wellen. Das ist die Insel.«
    »Fa Ton…« Visikal blinzelte in die Sonne. »Das war mal eine schöne Insel, Bran. Meine dritte Frau stammt von dort.« Er steuerte das Schiff über eine schroffe Welle, und Wasser klatschte über die Reling. »Sag den Männern, sie sollen die Tiefe ausloten, Tileder. Ich will wissen, wie weit wir herankönnen.«
    Bran hatte der Mannschaft niemals zuvor Befehle gegeben, und er wusste auch nicht, wie sie die Tiefe ausloten wollten. Hagdar hätte ihm da helfen können, doch der stand noch immer vorne am Bug.
    »Tiefe ausloten!« Bran schrie so laut er konnte. »Visikal will wissen, wie nah wir herankönnen!«
    Die Männer sahen ihn einen Augenblick lang an, bevor sie wieder nach Norden schauten. Einige von ihnen zeigten jetzt nach vorn, und Bran verstand, dass auch sie die weiße Gischt bemerkt hatten. Zwei Messer und Sturm taumelten zum Mast, lösten ein paar Schnüre und kämpften sich zum Bug vor. Dort lösten sie die Schnurbündel und krabbelten zur Reling. Sie ließen die Schnur Armlänge nach Armlänge hinab, holten sie wieder ein und ließen sie erneut hinab, wobei sie beständig Auskunft gaben.
    »Eine Länge… Drei mal zehn… Hier ist es tief!«
    »Hiss die Flagge«, sagte Visikal. »Die grüne. Du findest sie im Bugraum.«
    Bran kletterte nach unten und tastete sich zwischen den Balken vor. Er grüßte den alten Tarba, der an den Rudern saß, duckte sich unter die Decke, die den Raum von den Ruderern trennte, und begann, zwischen Pfeilköchern und Lederbündeln herumzusuchen.
    Zu guter Letzt öffnete er eine Kiste, die unter dem Tisch verzurrt war. Drei Flaggen lagen darin, doch nur eine war grün.
    Als er die Trenndecke zur Seite schob, nickte ihm Tarba zu und sah auf den grünen Stoff. »Dann nähern wir uns also Land…« Er lehnte sich nach hinten und zog das Ruder zur Brust. »Das muss Fa Ton sein. Das erkenne ich am Meer hier.«
    Bran ging schnell zur Treppe zurück.
    »Zehn Längen!«, rief Sturm. »Es wird flacher! Wir müssen die anderen warnen!«
    Da war Bran mit der Flagge zur Stelle. Er befestigte sie am Mastseil und zog sie hoch.
    »Fünf Längen!« Zwei Messer wedelte mit der Hand über dem Kopf. »Hier sind es fünf Längen!«
    Visikal presste das Ruder nach Steuerbord. »Das müssen die Untiefen im Süden der Insel sein! Die Ruderer an Backbord sollen aufhören, Bran!«
    Bran verstand, was geschehen sollte. Er legte sich aufs Deck und steckte den Kopf durch die Luke nach unten. »Die Ruderer an Backbord aufhören! Wir müssen wenden!«
    Das Langschiff legte sich wie ein trächtiger Riesenesel auf die Seite. Wellen drückten von Steuerbord heran, es drehte sich langsam und richtete sich dann wieder auf.
    »Backbord wieder rudern!«, rief Visikal.
    »An Backbord wieder rudern!« Bran klammerte sich am Rand der Luke fest, während das Schiff über die Wellen beschleunigte.
    »Zwei mal zehn Längen.« Zwei Messers Stimme klang jetzt ruhiger.
    »Fast drei«, rief Sturm. »Wir sind raus aus der Untiefe.«
     
    Man entschloss sich, dass die Wellen zu hoch waren, um mit den Langschiffen zu der versunkenen Insel zu rudern. Bran betrachtete die weiße Gischt, während das Schiff vorbeiglitt. Man konnte sich kaum vorstellen, dass dort einmal eine Insel gewesen sein sollte. Manchmal erschien es ihm so, als sähe er Gestalten an den Stellen, an denen sich die Wellen brachen.

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