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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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hatte. Sie hatten den Vogelmann bei der Suche nach einer Wurzel begleitet. Kragg persönlich hatte ihnen geholfen, denn ohne die Wurzel hätte der ewig währende Winter die Welt verschluckt. Bran erinnerte sich an all das, denn sowohl Mutter als auch Turvi hatten ihm dieses Lied viele, viele Male vorgetragen.
    Er umrundete den Pfosten neben der Treppe und blinzelte in den Lichtschein einer Kerze. Im Bug hing eine breite Decke; sie bildete fast eine Wand von einer Schiffsseite zur anderen. Von dort war Visikals Stimme zu hören, grob und scharf. Ein anderer Mann antwortete ihm, doch Bran hörte bei dem Knirschen der Ruder nicht, was sie sagten. Kopfjäger, dachte er. Visikal ist ein Kopfjäger. Er fragte sich, ob der Skerg erwartete, dass seine Tileder ihm auch in diesem Punkt nacheiferten, bevor er nach vorne ging und die Decke zur Seite schob.
    »Bran!« Visikal sah von dem Tisch auf, über den er sich gebeugt hatte. »Da bist du ja endlich. Zieh die Decke wieder vor.«
    Bran trat über die Schwelle, die den kleinen Raum abtrennte. Visikal hatte sein Hemd ausgezogen und stand halb nackt im Schein des Talglichts, das von der Decke herabbaumelte. Dicke Adern schlängelten sich an seinen gebeugten Armen empor, und seine Schultern waren breit und mit einer Vielzahl von Narben verziert. Nur sein Bauch verriet, dass er kein junger Mann mehr war, denn der war merkwürdig dick und passte nicht zu dem Rest des sehnigen Körpers.
    »Das sind die drei anderen Tileder unseres Schiffes.« Visikal deutete auf die Männer, die um den Tisch herumstanden. »Vosnabar…«
    Ein glatt rasierter, großer Mann, der seine Haare hinter dem Kopf zusammengebunden hatte, streckte Bran seine offene Hand entgegen. Bran ergriff sie mit seiner eigenen Waffenhand, denn er hatte gelernt, dass das ein Zeichen von Freundschaft und gutem Willen war.
    »Sein Bruder Nosnavar…«
    Der Mann neben ihm reichte Bran seine Schwerthand. Er sah aus wie sein Bruder, abgesehen davon, dass eine Narbe eines seiner Augen verschloss.
    »… und Kengber.« Visikal legte seine Hand auf den Rücken eines rothaarigen Kriegers, der rechts neben ihm stand. Er war der Einzige der drei, der eine Uniform trug. Bran begann zu spüren, warum die Männer sie abgelegt hatten. Die Talglichter und die Ruderer heizten die Luft unter Deck auf. Als er Kengbers Hand ergriff, bemerkte er, dass dessen kleiner Finger fehlte.
    »Den hat kein Vandar bekommen«, erklärte er grinsend. »Die Blöcke auf diesem Schiff sind gefährlich genug.«
    Bran hatte die durchlöcherten Holzklötze an den Relings bemerkt, durch die die Schot aufs Deck verlief. Kengbers Finger musste dort eingeklemmt worden sein.
    »Ich bin Bran.« Er sah sie an. »Der Häuptling des Felsenvolkes.«
    »Lass uns weitermachen.« Visikal stützte sich mit der Hand auf der Tischkante ab und heftete seinen Blick auf das Pergament, das auf dem Tisch lag. Kengber und Vosnabar taten es ihm gleich. Bran hatte noch nie zuvor eine Karte gesehen, doch er verstand, dass es sich bei dem Pergament um so etwas handeln musste. Er beugte sich wie die anderen über den Tisch und starrte in dem flackernden Licht auf die haarlose Tierhaut. Es gab viele Striche und gewundene Linien, und an manchen Orten gab es Zeichen, die denen, die Turvi malte, glichen.
    »Wir sind hier.« Visikal zeigte in die Mitte der Karte. Dann fuhr er mit dem Finger in Richtung Vosnabar und Nosnavar. »Hier ist Aard. Diese Inseln hier unten…«, er strich mit dem Finger über ein paar Flecke, »… sind nicht wichtig. Da wohnen nur ein paar Fischer, keine Krieger. Es reicht, wenn wir Aard einnehmen.«
    »Sollen wir von Norden oder von Süden heransegeln?« Kengber deutete mit seinen vier Fingern auf das Pergament.
    Visikal sah zu Bran auf. »Norden oder Süden, Bran?«
    Bran fasste sich an den Bart. Er hätte niemals gedacht, dass sie ihn so etwas fragen würden.
    »Keiner von uns war jemals dort«, sagte Visikal. »Wir kennen weder die Fahrrinnen, noch wissen wir, wo dieser Saal liegt, den es dort irgendwo geben soll.«
    »Sars Saal.« Bran schloss die Augen. »Wir sind aus dem Norden gekommen«, erinnerte er sich. »Es gibt dort einen Strand, wo man leicht anlegen kann.«
    »Schären?« Visikal fuhr mit der Hand über den länglichen Fleck auf der Karte. »Gibt es dort Schären?«
    »Wir haben keine gesehen.«
    »Dann sollten wir von Norden kommen.« Kengber stützte sich auf den Tisch, als sich eine Welle am Bug brach.
    »Norden«, flüsterte Visikal. Er nahm das

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