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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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trägt, zu sehen bekommen.« Keer kam neben ihm zum Vorschein, sah unter seinen buschigen Augenbrauen hervor und kratzte sich am Bart.
    »Wo ist Nangor?« Tarba schob sich seinen Rucksack zurecht und sah sich um. Die Katzenbrüder machten lange Hälse, stumm wie immer.
    »Er muss hier irgendwo sein«, sagte Keer und spuckte aus. »Klettere wieder auf den Heuwagen, Tileder. Ein Mann, der sich hier verläuft, wird schnell ein Opfer der mannstollen Frauen.«
    Tarba lachte und bewegte seine Augenbrauen auf und ab. »Ja, klettere wieder auf den Wagen, Bran. Sonst geht es ihm, wie es mir einmal ergangen ist, als ich mich hier oben in einem Bett schlafen legen wollte. Ich weiß noch, ich hatte viel Wein getrunken, war zehn Tage auf See gewesen, und die Tochter der Hauses entdeckte mich…«
    »Die kenne ich schon«, sagte Keer. »Erspar es mir, diese Geschichte noch einmal zu hören.«
    Da erblickte Bran Nangor. Der Seeräuber tauchte zwischen zwei Händlern auf, grüßte mit der einen Hand und nahm den letzten Bissen von dem Apfel, den er in der anderen Hand hielt.
    »Warum steht ihr hier herum?« Er leckte sich den Saft von den Lippen, warf das Kerngehäuse über die Schulter und winkte sie weiter. »Wollten wir nicht zu diesem Tempel hinauf?«
    Sie gingen weiter die Straße empor. Bran fragte sich einen Augenblick, wie Nangor an diesen Apfel gekommen war. Aber es gab wohl größere Vergehen, als einen Apfel vom Tisch eines Händlers zu stehlen. Das hatte jedenfalls Noj gesagt, als er mit Leintüchern aus Krett nach Hause gekommen war.
     
    Bran ging mit seinen Männern zum oberen Plateau hinauf. Tarba erklärte, dass Zwei Messer und Sturm einen alten Kampfgenossen getroffen hätten, mit diesem trinken gegangen wären und sicher erst wieder zum Vorschein kämen, wenn die Langschiffe weiterzögen. Bran schätzte, dass diese beiden sicher nicht die Einzigen waren, die sich so ihre Zeit vertrieben, denn oben zwischen den schwarzen Gebäuden war es noch immer menschenleer.
    Als sie sich der Treppe am Ende der gepflasterten Straße näherten, verstummten die Männer. Sie ließen Bran vorangehen. Bei dem Baumstumpf knieten sie nieder und wandten ihre Gesichter zum Himmel. Bran ließ sie knien, doch seine Art zu beten war das nicht. Er trat zum Stumpf vor und beugte sich über die Eisenbänder, die ihn schützten. Der Baumstumpf war so dick wie zwei Männer, und das graue Holz erinnerte ihn an keinen Baum, den er kannte. Die Bruchfläche war glatt gehauen, so dass die weißen Jahresringe leicht zu zählen waren. Ein gutes Stück im Innern des Baumes steckte der Nagel. Er fuhr mit den Händen über den Stumpf, über die rauen Jahresringe bis zu dem graublauen Nagel. Er sah aus wie eine Pfeilspitze, war aber viel größer. Als seine Finger das Metall berührten, überraschte es ihn, wie warm es war. Als habe der Nagel die Sonnenstrahlen eingefangen wie ein schwarzer Stein im Sommer. Der Nagel war glatt wie ein gehämmerter Schild, ohne jegliche Inschrift.
    Plötzlich wich er zurück. Etwas sprach zu ihm. Nicht mit Worten, sondern mit Bildern. Er sah viele Riesen. Sie standen in Pelze und Eisen gekleidet um die Eiche herum. Ihre Fäuste umklammerten Speere, und an ihren Gürteln hingen Schwerter. Die Gesichter der Riesen waren wie von Schatten verborgen, doch ihre Hirschgeweihe streckten sich der brennenden Sonne entgegen. Einer der Riesen kniete vor der Eiche nieder und schlug den Eisennagel in die Rinde. Dann drang das Rauschen vieler Stimmen von den Ebenen zu ihnen empor, und die Riesen hasteten zum Tor.
    Bran wandte sich dem Tempel zu. Jemand rief ihn von dort drinnen. Es war eine Stimme, die nur seine Gedanken hören konnten. Er fasste sich an den Kopf, fühlte sich schwindlig.
    Jetzt erhoben sich die Männer. Sie sahen ihn an und warteten darauf, dass er, ihr Tileder, voranging.
    Bran wischte sich den Schweiß von der Stirn und stieg die Treppe empor. Die Stufen reichten ihm bis zur Hüfte, doch hier hatte niemand Steine vorgemauert. Alles war so wie in der Zeit der Riesen.
    Die Männer halfen ihm mit der Tür.
    »Sie öffnet sich nach innen«, sagte Tarba und stützte sich mit den Zehen an einem Spalt in den Steinplatten ab. Bran lehnte sich gemeinsam mit den anderen gegen die Tür, und als sie sie einen knappen Schritt aufgeschoben hatten, traten die Tirganer zurück und knieten sich erneut hin. Sogar Nangor folgte ihrem Beispiel. Dann erhoben sie sich erwartungsvoll. Die Zeit war gekommen, Cernunnos

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