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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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können. Beide lernten sie, Hirsche aufzuspüren und Sehnen für die Bogen zu flechten.
    Er grübelte darüber nach, während er trank und aß. Kurz darauf kamen die Arborger mit Decken, und die Tirganer ließen sich auf dem Steinboden nieder, um zu schlafen. Er selbst bekam einen Platz gleich neben dem Feuer, und als die Männer zur Ruhe kamen, konnte er hören, wie der Regen draußen auf die Pflastersteine klatschte.
     
    Die zahllosen Treppenstufen ließen ihn an die Felsenburg denken. Kaum dass er laufen gelernt hatte, war er die Treppen zu den Kalanen emporgeklettert, den gewaltigen Ausgucklöchern in den Felsen. Die alten Götter hatten das Lanzengebirge so geformt, und ihr erster Häuptling, Kalan, ließ Treppen und große Löcher in die Felsen schlagen, damit er und seine Nachkommen jederzeit dort stehen und die Ebene im Auge behalten konnten.
    Diese Burg war anders. Vor jeder Treppenstufe hatten die Arborger einen eckigen Stein gemauert, so dass ein Mann die alten Stufen erreichen konnte, die ihm bis zur Brust reichten. Er lehnte sich vor und sah direkt in eine Koppel mit zwei Pferden hinunter. Überall waren jetzt Menschen: Frauen mit Körben und Kindern an den Händen, Männer, die Heuwagen zogen, und Händler, die Goldmünzen wechselten. Am östlichen Ende der Burg standen die Buden dicht an dicht vor der Mauer. Kornsäcke wurden feilgeboten, Leder, Fässer und Krüge, die derart nach Salbe stanken, dass er es bis zu seinem Platz riechen konnte. Die schwarze Steinstadt, die so tot gewirkt hatte, als sich die Tore in der Nacht geöffnet hatten, summte jetzt vor Geschäftigkeit. Die gigantischen Tore standen offen, um eine meckernde Schafsherde und lauthals singende Schäfer hereinzulassen. Ein mit Fässern beladener Ochsenkarren knirschte über die breite Pflasterstraße hinauf, und kleine Jungen kletterten mit Holzschwertern bewaffnet durch die knotigen Steinsäulen, die überall in der Stadt aus dem Boden ragten. Nur zwischen den mächtigen Gebäuden rund um das Plateau herrschte noch immer Ruhe. Die Menschen, die sich dort oben bewegten, waren fast ausschließlich Krieger. Sie gingen langsam und würdig und blieben stehen, wenn sie einander grüßten.
    Bran stieg die letzten Stufen empor und kletterte auf die Mauer. Der Wind, der ihm hier oben ins Gesicht schlug, überraschte ihn nicht. Auch wenn die Brustwehr beinahe zwei Mann hoch war, blies die Brise durch die Spalten zwischen den würfelförmigen Steinen hindurch, die wie spärliche Zähne die ganze Mauer krönten. Hier oben hatten die Arborger ein hölzernes Gerüst errichtet und einen Plankengang an der Brustwehr befestigt. Die Haltepfosten reichten über die Planken hinaus und endeten etwa eine Körperlänge oberhalb der Brustwehr. Hier hingen die weißen Schädel, die er von unten gesehen hatte, Fackeln und alte rostige Speere. Bran kletterte eine der vielen Leitern empor, die am Gerüst festgenagelt waren. Die Wache spähte zu ihm herunter, sagte etwas wie »Freche Tirganer« und trat ein paar Schritt zur Seite. Bran kroch oben auf den Plankengang, ehe er sich endlich aufrichten und über die Brustwehr schauen konnte.
    Der Nebel war vom Meer verschwunden, und die Sonne malte Feuer auf die Dünung. Warm und brennend hing sie über den Felsen im Osten. Denn dort stürzten sich Klippen ins Meer, Klippen und gewaltige Felsklötze des gleichen schwarzen Gesteins, verdreckt vom Kot unzähliger Seevögel. Es sah aus, als hätte das Meer einfach ein Stück Land herausgerissen und als kümmere es sich nicht darum, den unebenen Riss zu glätten. So weit das Auge von Ost nach West reichte, sah die Küste so aus. Die Seevögel schrien aus Hohlräumen und von Absätzen. Nur an wenigen Stellen machten die Klippen Platz für kleine Buchten, wo die Wellen schwarzen Sand angespült hatten. Hier vom Nordende der Burg aus war es leicht, den Strand zu erblicken, an dem sie mit ihren Langschiffen festgemacht hatten. Die Männer wuselten wie Ameisen, die neues Land erforschen, um die Schiffe herum. Er konnte sie nicht unterscheiden, erinnerte sich aber, wo sein eigenes Schiff angelandet war. Dort, gleich neben dem Mast, erkannte er Nangor mit seinem geflochtenen Bart.
    Bran ließ den Blick an den Klippen entlangschweifen. Irgendwo mussten die Arborger ihre Schiffe versteckt haben. Er ging langsam über die Brustwehr nach Westen, denn dort hinten, gleich hinter der schwarzen Kluft im Gras, glaubte er die Spitze eines Mastes zu erkennen. Richtig, denn nachdem er an

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