Brans Reise
nackten Füßen durch den Schnee, bis er schließlich ein paar Speerlängen vor den Skergen stehen blieb. Jetzt sah Bran etwas, das er niemals zuvor bei anderen Männern gesehen hatte: Der Alte hatte nur ein Ohr. Die Worte begannen aus ihm herauszuquellen. Die Tirganer flüsterten und trampelten im Schnee. Doch noch hielten sie die Reihen geschlossen.
Ylmer beugte sich zu Visikal hinüber und flüsterte ihm etwas zu. Visikal nickte, klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich an Bran.
»Das ist ein vandarscher Priester«, sagte er. »Du siehst, dass er sich das eine Ohr abgeschnitten hat.«
Bran fuhr sich mit seiner Hand über die rechte Seite seines Nackens. Er spürte die taube Haut auf der Narbe über dem Ohr und die Schmerzen, die hinter seiner Stirn lauerten.
»Die Männer glauben, er kann Blitze vom Himmel senden.« Visikal zuckte mit den Schultern. »Deshalb haben uns die Vandarer einen ihrer Priester geschickt. Sie glauben, uns erschrecken zu können.«
Noch immer stand der Alte mit krummen Beinen und wildem Blick vor ihnen. Er sprach zu sich selbst, stach den Speer in die Luft und schnitt schreckliche Grimassen.
»Ich will, dass du ihn tötest.« Visikal deutete auf Brans Axt. »Ich will, dass du es tust, damit die Vandarer es sehen. Sie sollen sehen, dass ich dich, einen meiner Krieger, bitte, ihn wie ein Lamm zu schlachten. Wir verhöhnen sie, wenn wir ihnen zeigen, dass ihre Priester es nicht einmal wert sind, von dem Schlag eines Skergs getötet zu werden. Das wird die Vandarer wütend machen, vielleicht so wütend, dass sie ihre Tore öffnen und sich hier draußen dem Kampf stellen.«
Der Skerg trat zur Seite und zeigte auf den alten Mann. »Denk an Tir. Für diesen Mord sollst du sie bekommen.«
Bran löste die Axt von seinem Gürtel. Visikal hatte es jetzt gesagt. Nur ein Hieb, und dann würde er sie als die seine beanspruchen können. Er ging auf den Priester zu, der die Speerspitze nach vorne richtete und zu rufen begann. Bran ging gerade so weit vor, dass er von dem Speer des Priesters nicht erreicht werden konnte, und als dieser sich ein weiteres Mal nach vorne beugte, um zuzustechen, packte Bran den Speer und riss ihn dem Alten aus den Händen.
»Töte ihn!«, rief Visikal. »Seht Männer! Bran tötet den Trollmann!«
Die Männer begannen mit ihren Schwertern gegen ihre Schilde zu schlagen. Rhythmisch und siegessicher riefen sie den Namen ihres Gottes. Der alte Mann schrie noch lauter. Er ließ sich zu Boden fallen, rollte auf den Rücken und wurde plötzlich still. Bran stellte sich über ihn und hob die Axt. Der Alte sah ihn nicht einmal an, sondern streckte seine Arme zum Himmel und starrte vor sich hin, während Tränen über sein bemaltes Gesicht rannen.
»Töte ihn!« Visikals Stimme war heiser. »Die Vandarer sehen dir zu, Bran. Töte ihn, und Tir ist die deine!«
Er ließ die Axt herabsausen. Nicht er selbst war es, der das tat, es war Visikals Ruf und das Hämmern auf den Schilden. Der Brustkorb knackte unter dem Axtkopf wie ein Dach, das unter zu viel Schnee einstürzt. Der alte Mann fauchte und zitterte, bis das Blut aus seinem aufgerissenen Mund quoll. Bran zog die Axt heraus, trat zurück und ließ ihn liegen, während die dünnen Beine des Mannes von Krämpfen geschüttelt wurden.
»Gut«, sagte Visikal. »Jetzt werden wir sehen, was die Vandarer tun.«
Bran drehte dem Sterbenden den Rücken zu. Er erbrach sich vor die Stiefel von Zwei Messer und Sturm, doch als er fertig war, bemerkte er, dass sich keiner darum zu kümmern schien. Zwei Messer, Sturm und all die anderen starrten zur Burgmauer.
»Tarkin ist schwach! Tarkin quama!« Visikal verhöhnte die Vandarer. »Er lässt seine Priester sterben!«
Einer der Männer auf der Mauer kletterte auf die Brustwehr. Er trug wie die anderen ein Kettenhemd, doch sein Kopf war unbedeckt, und der Wind ließ seinen Umhang flattern.
Visikal übersetzte seine Worte für Vare und Ylmer, doch auch Bran hörte, was der Skerg sagte.
»Ihr habt unseren Priester getötet. Tarkin wird diese Untat rächen. Ihr werdet beim Kampf kein Glück haben.« Visikal lachte und verschränkte die Arme. »Wir beten nicht zu Tarkin«, rief er. »Der, der die Lanze trägt, ist ein jämmerlicher Gott. Cernunnos wird mit uns kämpfen und viele Leben nehmen.«
Der Mann auf der Mauer zuckte mit dem Kopf. Er zog das Schwert aus seinem Gürtel, streckte es ihnen entgegen und brüllte seine Worte in Richtung der Tirganer.
»Er versucht, uns Angst
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