Brans Reise
bohrten. Alle drei hatten schon einmal um Oart gekämpft. Damals hatten sie die Burg eingenommen und waren hinter den Mauern zwischen den Langhäusern hindurchgeschlendert. Er wusste, dass es dort drinnen Kühe, Hühner und Schweine gab. An Bord hatten sie noch gesalzenes Fleisch und Frischwasser für einen halben Mond, doch der Krieg konnte noch viel länger dauern. Sie brauchten bald Verpflegung, und gelang es ihnen, Oart einzunehmen, hätten sie die Hälfte der vandarschen Küste besetzt. Jeder vierte Tileder blieb mit seinen Männern an Bord. Die anderen kletterten über die Reling und sammelten sich auf dem Strand. Visikal ging an der langen Reihe von Kriegern entlang. Sie waren mehr als vierhundert Mann. Der Skerg sprach zu ihnen:
»Zwei Schlachten haben wir geschlagen, seit wir unsere Frauen verlassen haben. Aard im Norden und die Seeschlacht gegen die vandarschen Schiffe im Osten. Wir haben sie alle besiegt.« Er hob seinen Helm, den er unter dem Arm getragen hatte, und setzte ihn auf. Die Männer folgten seinem Beispiel.
»Ich weiß, Krieger, dass Cernunnos uns sieht!« Visikal wandte sich an Ylmer und Vare, die ein paar Schritt von den übrigen Männern entfernt standen. »Denn wir sind Männer aus Tirga, und wir sind Sein Volk!«
Die Tirganer zückten die Schwerter und schlugen damit gegen ihre Schilde.
Visikal trat dicht vor sie. Er legte ihnen seinen Schwertarm auf die Schulter und lächelte hart unter seinem Halbhelm. »Ich sehe starke Männer vor mir. Männer, die für den, der das Geweih trägt, kämpfen und sterben wollen! Männer, Krieger, die nach Blut lechzen!«
Jetzt traten Vare und Ylmer von den Männern weg, Visikal folgte ihnen, und gemeinsam blieben sie ein paar Schritt entfernt mit dem Rücken zur Burg stehen. »Dann kämpft, Männer!« Die Skerge brüllten gemeinsam. »Kämpft, als ob es kein Morgen mehr geben würde!«
»Für Cernunnos!« Die Tirganer stachen mit ihren Schwertern in die Luft. »Für Cernunnos! Für Cernunnos!«
Da wandten sich die Skerge der Burg zu. Sie zeigten mit ihren Schwertern auf die Mauern und begannen nach oben zu marschieren. Die Tirganer sammelten sich hinter ihren Tiledern und folgten dicht hinter ihnen.
Bran trat in Visikals Fußspuren, dicht gefolgt von Zwei Messer und Sturm, die sangen. Durch ihre groben Stimmen hörte er Visikal mit Vare sprechen: »Das sollte ihnen Angst einjagen… den Vandarern… wir müssen sie herausfordern, sie dazu bringen, die Tore zu öffnen.« Er begriff, warum die Skerge zu den Männern gesprochen und sie derart angestachelt hatten. Die Vandarer rannten oben auf den Mauern hin und her. Manche verschwanden hinter der Brustwehr. Bran konnte sie drinnen laufen hören. Pferde wieherten, Männer riefen und Waffen klirrten.
Die Tirganer kletterten die Anhöhe empor, die sich hinter dem Strand erhob, und marschierten über die verschneite Ebene vor der Burg. Dann, einen knappen Pfeilschuss vor den Mauern, hoben die Skerge die Arme und gaben ihnen das Zeichen, stehen zu bleiben. Das Tor war noch immer geschlossen. Es war niedrig und mit Eisen beschlagen, so dass die Belagerer es nicht in Brand setzen konnten. Aber oben auf den Mauern geschah etwas. Die Vandarer banden unmittelbar über dem Tor ein Tau an die Brustwehr und warfen es gemeinsam mit einem Kampfspeer hinunter.
Bran konnte das nicht verstehen. Die Vandarer redeten dort oben laut durcheinander, sahen hinter den Mauern nach unten und reckten ihre Arme in den Himmel. Vare fluchte, und Visikal blickte über seine Schulter zurück, als befürchtete er, seine Männer könnten zurück zu den Schiffen fliehen.
Da erhob sich ein Mann zwischen den rüstungtragenden Kriegern auf der Mauer. Er war nackt, und sein ganzer Körper war mit roten Streifen bemalt. Es war ein alter Mann mit krummem Rücken und kahlem Schädel. Er stemmte seine nackten Füße gegen die Mauer, ergriff das Tau und seilte sich ab.
»Das ist ein Trollmann!« Die Worte gingen hastig von Mann zu Mann. »Trollmann… Trollmann…!«
Der bemalte Mann sprang in den Schnee, hob den Speer auf und begann auf die Tirganer zuzugehen. Die Vandarer hinter der Brustwehr waren jetzt ganz leise, doch sie richteten ihre Blicke immer wieder in den Himmel und dann zurück auf den alten Mann.
»Er will einen Blitz auf uns lenken!« Virga heulte wie ein kleiner Junge.
Bran hörte nicht auf ihn. Er spürte einen Luftzug, einen Hauch vom Meer. Der Wind frischte auf. Und er kam aus Norden.
Der alte Mann ging mit
Weitere Kostenlose Bücher