Brans Reise
Er rieb sich die Augen, denn sie brannten, und sein Blick wurde mit einem Mal verschwommen. »Wenn ich nach Arborg oder Tirga komme, gibt es jemanden, dem ich erzählen soll…?«
»Sag ihnen, ich sei im Kampf gefallen.« Keer rang nach Luft. »Im Kampf für Cernunnos.«
Die zwei Männer saßen den Rest der Nacht nebeneinander. Bran nährte das Feuer und ließ es wie zum Zeichen der Herausforderung für die Vandarer groß und mächtig werden. In der Morgendämmerung legte Keer seinen Waffengurt ab und bat Bran, das Schwert an seiner verletzten Hand festzubinden. Der Tirganer meinte, es sei besser so, denn mit dieser Hand habe er sein ganzes Leben gekämpft, und sie sei sicher noch gut genug, um damit ein letztes Mal zuzuschlagen. Bran half ihm auf und lehnte seinen Rücken gegen eine Birke. So wollte Keer den Vandarern begegnen.
»Trink etwas auf mich«, sagte er. »Mit Tarba und den anderen.«
Bran hängte sich den Bogen über die Schulter und schob die Axt unter seinen Gürtel. »Das werden wir tun, mehr als einmal!«
Der Tirganer legte das Schwert über die Schulter und lächelte.
Da wandte Bran ihm den Rücken zu und stapfte durch den Schnee davon. Er kletterte durch das Birkendickicht, das am Hang des Tales emporreichte, und hatte bald den nächsten Kamm erreicht. Dann begann er zu rennen.
Schon am Boden der nächsten Senke hörte er die Rufe. Die Vandarer hatten Keer entdeckt. Aufgeregt darüber, dass sie ihre Beute jetzt, nach vielen Tagen der Jagd, eingeholt hatten, schrien sie einander zu. Dann klirrten die Schwerter, rasch und wild wie ein Sturm aus Eisen, bis es plötzlich still wurde. Ein Heulen wie von einem gefangenen oder sterbenden Wolf erhob sich über die Hügel. Es erstarb wie ein Windhauch, gefolgt von grenzenloser Stille.
Er hastete den Hügel empor. Sein Blick war verschleiert. Er taumelte, schwamm im Schnee. Als er endlich die Anhöhe erreichte, nahm er den Pfeil in den Mund und den Bogen von der Schulter. Dann warf er sich in den Schnee und ließ ihn im Nacken schmelzen.
Es dauerte nicht lang, bis er die Vandarer hörte. Sie sprachen miteinander und fühlten sich sicher, da ihr Feind jetzt allein war. Er versuchte, ihre Stimmen zu unterscheiden. Sie waren nicht mehr zu viert. Ihre Schritte… Er lauschte auf den Schnee, den sie mit ihren Beinen wegschoben. Sie erreichten die Senke. Dann hob er den Kopf, so dass seine Ohren aus dem Schnee herausragten. Sie rannten. Er konnte die Pfeile im Köcher rascheln hören. Jetzt waren sie ganz unten in der Senke. Sie begannen zu klettern.
Bran wartete, bis er sie atmen hören konnte. Da stand er auf. Er nahm den Pfeil aus dem Mund, legte ihn auf die Sehne und spannte den Bogen. Dann schüttelte er sich den Schnee vom Gesicht. Zwei Männer. Zwei Vandarer. Sie standen auf halber Höhe auf dem Hang und hatten die Pfeile in den Händen. Einer der Vandarer hatte einen Blutfleck am Ärmel seiner Jacke. Bran zielte auf ihn. Der Pfeil traf den Vandarer in die Brust, als der andere seinen Pfeil abschoss. Bran sah die Pfeilspitze aufblitzen, als sie an seinem Kopf vorbeiflog. Er löste die Axt von seinem Gürtel und wollte sich auf den letzten Vandarer stürzen, doch da bemerkte er, dass der Bogenschütze bereits auf der Flucht hinunter ins Tal war. Er hatte den Pfeilköcher seines toten Gefährten in der Hand. Bran ließ ihn laufen. Er hätte ihm nachsetzen können, doch er dachte an das, was Keer gesagt hatte. Es war an der Zeit, weiterzukommen. So ging er zu dem toten Vandarer hinunter und richtete ihn im Schnee auf. Der Pfeil hatte ihn links neben dem Brustbein getroffen. Bran riss die Schafslederjacke um den Pfeil herum los und zog sie dem Vandarer aus. Sie war noch immer warm. Er zog sie unter seinem Pelzumhang an und durchtrennte den Gürtel des Vandarers. Der Tote trug einen Sack auf dem Rücken, und als Bran diesen öffnete, spürte er, wie ihm der Speichel im Mund zusammenlief. Er stopfte sich das Trockenfleisch in den Mund, kaute, schluckte und nahm noch mehr. Nur ein paar Hand voll bewahrte er auf. Er steckte sie in seine Tasche, ehe er das Jagdmesser des Vandarers an seinem eigenen Gürtel befestigte und dem Toten dann die Hose auszog. Sogar die ledernen Socken des Vandarers zog er über seine Füße, ehe er wieder in die Stiefel schlüpfte.
Mit dem Jagdmesser schnitt er den Pfeil aus der Brust des Toten. Die Pfeilspitze war unversehrt. Er wischte das Blut mit etwas Schnee ab und strich mit den Fingern über die Rabenfedern, die den
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