Brans Reise
hast«, pflegte Turvi zu sagen. Doch was nützten Bögen, wenn man keine Pfeile hatte? Über diese Frage musste man nicht lange nachdenken.
Er legte den Flintstein in die Glut und bahnte sich einen Weg durch den Tiefschnee. In einem Birkenwäldchen fand er, was er gesucht hatte: gerade, kräftige Zweige. Er schnitt einen von ihnen ab und nahm ihn mit zum Lager. Keer sah ihm über die Flammen hinweg zu, als er den Zweig über die Klinge der Axt führte und die Rinde abschabte. Dann spaltete er das dicke Ende des Zweiges und schnitt ihn eine Armlänge dahinter ab. In die Schnittstelle feilte er eine Kerbe.
»Jetzt fehlen noch Federn.« Keer sah ihn an. Seine Lider hingen schwer über seinen Augen. »Ohne Steuerfedern wird der nie etwas treffen.«
Bran wusste, dass der Tirganer Recht hatte. Er schlitzte das Pfeilende quer zu der Kerbe, die für die Sehne gedacht war, ein und warf einen Blick auf Keers Rücken.
»Ich verstehe«, sagte der Tirganer. Er legte sich auf den Bauch, und Bran kniete neben ihm nieder. Bran zog das Schwert unter Keers Gürtel hervor und durchtrennte damit den Pfeilschaft dicht am Rücken. Als er brach, ging ein Zittern durch Keers Körper. Er kämpfte sich hoch, krümmte sich im Sitzen zusammen und hustete einen roten Regen über das Feuer.
Bran setzte sich und versuchte, die Verschnürung am Ende des Pfeilschafts zu lösen. Er musste sie zerschneiden, um an die schwarzen Federn zu kommen. Rabenfedern, dachte er. Möge der Rabe den fressen, den dieser Pfeil trifft.
Mit der Axt grub er den Flintstein aus der Glut. Schon ein schwacher Schlag reichte aus, damit er sich teilte. Bran warf eine Hand voll Schnee über den Stein und ließ ihn kalt zischen. Die zwei größten Bruchstücke steckte er in seine Tasche, ehe er den dritten kleinen Splitter in die Hand nahm.
»Das machst du nicht zum ersten Mal«, sagte Keer mit einem Husten.
Bran lächelte. Es gefiel ihm besser, wenn Keer über so etwas sprach. »Ich habe viele Pfeile gemacht.« Er befestigte den Flintsplitter in dem Schlitz am dickeren Ende des Pfeilschafts und legte den Pfeil dann auf seinen Zeigefinger, um das Gewicht zu überprüfen.
»Schade, dass wir dem Vandarer nicht die Pfeile abnehmen konnten.« Bran legte seine Axt über die Schulter und schnitt sich eine lange Haarsträhne ab.
»Willst du dir eine Sehne aus deinen Haaren flechten?« Keer schob seine Hände unter die Achseln und brachte seine Knie näher an das Feuer. »Hast du das auch schon mal gemacht?«
Bran spaltete die dicke Strähne in einzelne Locken auf und legte sie sich über den Schenkel. »Ja, einmal. Ich werde sie mit Harz verleimen.«
Keer murmelte etwas, was Bran nicht verstand, schloss die Augen und schob sich noch näher ans Feuer heran. Er atmete schnell. Bran meinte, dass er jetzt älter aussah. Keer war dünner geworden. Die Schultern unter seiner Jacke sahen nun fast schmal aus. Doch die Tage hatten an ihnen beiden gezehrt.
Bran hackte die Rinde von einer Fichte und zog jeweils zehn Haare durch das Harz, das aus der Rinde quoll. Diese Strähnchen flocht er zu dünnen Schnüren zusammen, die er wiederum zu zwei längeren Sehnen verflocht. Er erwärmte die Rindenstücke über dem Feuer und zog die Sehnen durch das flüssige Harz. Dann schnürte er sie über die Splisse der Pfeilspitze und verknotete sie. Er nutzte die Verschnürung des Pfeils des Vandarers, um die Federn festzubinden. Zu guter Letzt goss er das restliche Harz über die Knoten.
Als er fertig war, war das Holz niedergebrannt, und der Gluthaufen sah ihn mit flackerndem Blick an. Keer zitterte auf seinem Lager, und Bran dachte plötzlich, dass es vielleicht besser wäre, wenn er nie wieder aufwachen würde. Der Tirganer würde sterben wie ein angeschossener Hirsch, erschöpft und auf der Flucht nach Tagen sinnlosen Schmerzes. Er könnte einfach das Schwert auf seinen Nacken herabfallen lassen, damit das Ganze vorüber war.
Doch Bran tat es nicht. Stattdessen schob er das Schwert wieder unter Keers Gürtel, der dabei aufstöhnte, als habe er plötzlich einen schlechten Traum. Bran löste die Spange seines Umhangs und legte sich hinter Keers Rücken. Dann breitete er den Pelz über sie beide und legte seine Hand um den Schaft der Axt.
Als sie aufwachten, schien die Sonne. Keine Wolken ließen auf Schnee hoffen. So nahmen sie ihre Waffen, warfen Schnee über die Feuerstelle und gingen auf den nächsten Hügel zu.
Bran hatte erwartet, jetzt das Moor zu erreichen. Dagegen schienen
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