Brans Reise
hielten auf Blutskalles Schiff Rat, und sie alle erkannten, dass es an der Zeit war, nach Hause zurückzukehren. Die Kämpfe hatten viele Leben gefordert. Wenn die Vandarer und Mansarer ihre Flotten in einem Angriff vereinten, würden sie alle arenischen Schiffe im Handumdrehen versenken können. Niemand wusste, was mit den Old-Myrern geschehen war, doch die Skerge konnten nicht mehr länger darauf warten, dass diese die Küste erreichten. Aller Wahrscheinlichkeit nach war Old-Myre jetzt aber ein Land voller Witwen.
Die Skerge hatten die Waffen zwischen sich auf das Deck gelegt. Zwei Bronzeäxte lagen zwischen den Schwertern. Blutskalle und Visikal trugen diese, wie es der Brauch für Arborgs und Tirgas ersten Skerg war. Die Männer nahmen die Waffen auf und schoben sie hinter ihre Gürtel, womit sie zeigten, dass sie sich Frieden wünschten. Nur Blutskalle ließ seine Axt liegen.
»Ich will nach Cogga segeln«, sagte er. »Mit zehn unserer besten Schiffe. Ihr könnt zu dem Winterlager fahren und die Verwundeten mit nach Arborg nehmen, denn sie haben viel gelitten und brauchen ihre Frauen. Ich werde einen letzten Angriff auf Cogga unternehmen. Ich spüre, dass Cernunnos mir Glück bringen wird. Danach werde ich mit meinen zehn Schiffen nach Arborg zurückkehren.«
Die anderen Skerge sahen einander an und gaben schweigend ihre Zustimmung. Zehn Schiffe sollten nach Cogga segeln.
Der vierte Skerg
D er Rabe kreiste über den Ebenen. Er ritt auf dem Seewind und spähte nach Osten, Norden und in Richtung der Ewigkeit nach Süden. Hier oben war er der König der Welt. Hier sah er, hier war er alles.
Seit zwei Tagen war er den drei Menschen gefolgt, die über das Eisland wanderten. Wo Menschen waren, gab es auch Nahrung. Knochen, Getreide oder Krümel. Diese Wesen ließen immer etwas zurück, wenn die Feuergeister erstarben und sie sich auf ihren Hinterbeinen aufrichteten und weiterschaukelten. Zehn Winter hatte der Rabe überlebt, und sieben Mal hatte er sich an Menschenfleisch gütlich tun können. Denn die Zweibeiner waren törichte Geschöpfe. Sie konnten auf den Ebenen zusammenlaufen, eiserne Stäbe in sich stecken und sich selbst opfern, um die Tiere der Ebene und des Himmels zu füttern. Oder sie begaben sich bei Winterskälte auf Wanderungen und erfroren unter ihren gestohlenen Fellen. Der Rabe hatte das alles schon erlebt, und wenn er auf die Zweibeiner unter sich hinabschaute, konnte er das warme Menschenblut bereits schmecken.
Bran kletterte auf einen großen Stein, der aus dem Schnee herausragte. Tigam und Inien waren einen Steinwurf hinter ihm. Das Mädchen stützte die Alte unter der Schulter, deutete nach vorn und half ihr Schritt für Schritt weiter. So war es seit den ersten Metern ihrer Wanderung gegangen, und Bran glaubte, nichts anderes zu tun, als auf sie zu warten. An diesen drei Tagen waren sie nicht weiter gekommen, als er es allein an einem guten Tag geschafft hätte.
Er blinzelte in die untergehende Sonne. Bald musste er einen Lagerplatz finden. Sie brauchten Schutz vor dem Wind, doch die Ebene vor ihnen war flach wie ein Schild. Nur an wenigen Orten ragten Felsen und Schuttberge aus dem Eis. Denn Eis war es, was die Ebene bedeckte, nicht Schnee. Der Wind fegte wie mächtige Gotteshände über das Land, und Schnee, Gras und alles, was sich nicht festzuhalten vermochte, wurde nach Süden geblasen. Da der Schnee niemals liegen blieb, kam man leicht vorwärts. Bran sah keine Schönheit in diesem Land, wie er sie in Bergen, Wäldern und dem Meer sehen konnte.
Tigam und Inien schlossen zu ihm auf. Er sprang vom Felsen herunter und ging weiter. Die alte Frau tat ihm Leid, doch er wollte diese Gefühle vor den Frauen verbergen. Er wollte ihnen keine Schwäche oder Mitleid zeigen. Dieses Land kannte kein Mitleid, keine Schwäche. Und er musste wie das Land sein, wenn sie jemals ankommen wollten.
Bran deutete auf den Felsen einen guten Pfeilschuss vor ihnen. Der sollte Schutz für die Nacht geben. Er zog sein Gepäck höher zu den Schultern hoch und konnte einfach nicht länger auf sie warten. Die Sonne wurde am Horizont hinter ihm bereits rot, und die Dunkelheit kam schnell hier draußen.
Als er angekommen war, trat er ein paar Steine los und legte sie an der Leeseite in einem Ring um den Lagerplatz. Dann setzte er den Holzsack auf den Boden und begann, die Scheite aufzuschichten. Ein paar Splitter legte er auf den Zunder, den Inien mitgenommen hatte, und als die Frauen neben ihm zu Boden
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