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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Osten deuteten.
     
    Bran hatte immer einen leichten Schlaf gehabt. Als Junge in den Bergen beim Hüten der Schafe war immer er es gewesen, der als Erster erwachte, wenn die Wölfe kamen. Er hörte ihr Heulen viel eher als Velar oder Dielan. Niemandem war es je gelungen, sich an ihn heranzuschleichen, wenn er schlief.
    Hier draußen auf der Ebene hingegen sang ihn der Wind in den Schlaf, und die Erschöpfung betäubte seine Sinne. So wachte Bran nicht bei Sonnenaufgang auf. Er spürte etwas an seinem Hals, als ob eine Biene ihren Stachel an seiner Haut rieb. Als er sich dort kratzte, berührten seine Finger etwas Scharfes. Er öffnete die Augen. Die Speerspitze schoss auf ihn zu, verharrte aber einen Fingerbreit vor seiner Brust. Am Ende des Schaftes stand ein Mann in hellen blutbefleckten Lederkleidern, der seine Haare in einem langen Zopf auf dem Kopf zusammengebunden hatte. Seine Augen waren kugelrund, und er fauchte unverständliche Worte.
    Bran wollte nach seiner Axt greifen, aber da bewegte sich die Speerspitze auf sein Auge zu. Bran schlug mit den Lidern. Jetzt bemerkte er die Krieger hinter dem Speerträger. Es war ein ganzes Heer dort unten, ein paar Körperlängen hinter dem Felsen. Sie hatten Pferde. Einige der Reiter waren abgestiegen, während andere noch gebeugt in den Sätteln hingen. Einer von ihnen ließ sein Pferd im Schritt auf den Speermann zugehen. Es war ein alter Mann mit weißem Haar und langem Bart. Er hatte seine Lanze auf den Oberschenkel gestemmt und leitete das Pferd mit seinen Schenkeln. Bran erinnerte sich an ihn. Das war Gebrochene Lanze, der Skerg von Old-Myre.
    Die Frauen bewegten sich unter ihren Pelzen. Inien schlug eine Ecke zur Seite und blinzelte in die Sonne. Dann erblickte sie die Krieger und schrie auf. Da kamen noch mehr Old-Myrer herbei und richteten ihre Lanzen und Speere auf sie. Sie sprachen in ihren scharfen Lauten miteinander und sahen abwechselnd von Bran zu den Frauen. Die Speerspitze zwang ihn, aufzustehen. Sie machten Platz für Gebrochene Lanze, der sich dicht vor ihn stellte und seine Arme vor der Brust verschränkte.
    »Och-va che. Vandara, Mansara? Omva ara ne?«
    Bran verstand nicht, was er sagte, doch die Speerspitze, die seine Brust und seinen Hals kitzelte, sprach deutlich genug.
    »Ich kämpfe für Tirga.« Er konnte seinen Kopf nicht bewegen, ohne sich an der Spitze zu stechen. Den Fuß in Richtung Axt ausgestreckt, versuchte er, nach unten zu schauen. »Ich bin Bran. Tileder unter Visikal.«
    Unzählige Falten erschienen auf dem Gesicht des Alten. »Visikal?« Er fasste sich an den Bart und machte ein nachdenkliches Gesicht.
    »Ich bin auf eurer Seite«, sagte Bran. »Ich habe viele Vandarer getötet.«
    Gebrochene Lanze zog die Augenbrauen hoch. Dann bellte er seine Krieger an und hieß sie mit einem Wink zur Seite zu treten wie quengelnde Kinder. Er neigte leicht den Kopf und musterte Bran. Dann sah er auf die Frauen hinab.
    »Mji… Frauen… Kein Recht, Frauen zu rauben!« Sein Blick hatte sich verfinstert, als er sich wieder Bran zuwandte. »Gebrochene Lanze tötet alle Räuber.«
    Bran beugte sich zu seiner Axt hinunter. »Ich habe sie nicht geraubt. Das haben die Vandarer getan.« Er schob die Axt unter seinen Gürtel und half Tigam unter dem schweren Pelz hervor.
    »Das ist Tigam.« Mit Macht schob er ihr die Hände aus dem Gesicht, denn sie versteckte sich, als wollte sie nicht, dass sie sie sahen. »Tigam«, wiederholte Bran, »Blutskalles Frau.«
    Gebrochene Lanze riss den Mund auf, doch er fand keine Worte. Dann fiel er auf die Knie und bewegte den Kopf hin und her.
     
    Bran, Tigam und Inien wurden zu dem Heer der Old-Myrer gebracht. Gebrochene Lanze stotterte ein paar Worte über eine Schlacht gegen das Reiterheer der Vandarer, zeigte auf Pferde mit leeren Sätteln und Männer auf Tragen. Sie seien jetzt auf dem Weg nach Arborg, sagte er. Dort wollten sie die Verwundeten pflegen. »Die Ebenen haben Vandaras Frauen mit vielen Söhnen gesegnet«, meinte er. Denn niemals waren die Feinde so zahlreich gewesen. Die Old-Myrer waren nicht einmal bis Torman vorgedrungen, ehe die Vandarer angriffen. Zweihundert Reiter waren von Osten gekommen und ebenso viele aus dem Norden und Westen. Es waren so viele, dass es keine Schande war zu fliehen. Das waren die Worte von Gebrochene Lanze, bevor er Bran zu einem Pferd führte. Bran kletterte in den Sattel und versuchte sich an die wenigen Male zu erinnern, als er mit Hagdar auf die Ebene hinausgeritten

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