Brans Reise
ist.«
»Fremder…« Tigam legte ihre Hand auf seinen Arm. Bran sah auf die faltige Haut herab, die knotigen Adern und die schmutzigen, abgenutzten Nägel. Die Alte hatte ihn niemals zuvor berührt. Seit sie den Hof verlassen hatten, waren die Frauen immer ein Stück von ihm entfernt geblieben. Am ersten Abend hatten sie sein vernarbtes Ohr angestarrt, als er seine Haare im Nacken zusammengebunden hatte, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu waschen. Er wusste, dass sie ihn hässlich fanden und dass er ihnen Angst einflößte. Doch jetzt schien die Alte keine Angst zu haben.
»Du denkst an etwas.« Die Falten um ihre Augen sammelten sich zu einem Lächeln. »Jeden Abend hast du so dagesessen. Du musst sie sehr gern haben.«
Bran griff nach seiner Axt. Tigam schnappte nach Luft und hielt sich die Hände vors Gesicht.
»Ich will nur…« Er verzog die Mundwinkel, doch es gelang ihm nicht zu lächeln. Die Sklavin kauerte sich an ihrem Platz zusammen. »Ihr versteht nicht.« Er beugte sich zum Feuer vor und begann mit dem Axtkopf in der Glut herumzustochern. Die Steine, die er um das Feuer herumgelegt hatte, waren jetzt warm. Es tat gut, sie unter dem Pelz zu haben. Er legte die Axt beiseite und zeigte auf die Steine.
»Ihr könnt euch an ihnen wärmen. Vater hat mir das beigebracht. Wir hatten immer Steine im Feuer, wenn wir in die Berge gingen.«
»Du bist in den Bergen gewesen?« Inien streckte ihren Kopf aus dem Pelz heraus.
Bran zog die Beine an die Brust und legte sich den Pelzumhang um. Die Frauen glaubten ja, er sei Tirganer. Und von Tirga war es weit bis ins Gebirge.
»Ich stamme aus Kels«, flüsterte das Mädchen. Sie strich sich über die Narbe. »Das Lanzengebirge ist im Westen von Kels. Mein Onkel war einmal dort.«
»Belästige ihn nicht mit so etwas, Inien.« Tigam legte ihren Arm um sie. »Wir müssen jetzt schlafen, damit wir den Fremden morgen nicht wieder aufhalten.«
»Ich heiße Bran.« Er schob die Steine unter die Pelze der Frauen. Dann wandte er sich wieder von ihnen ab.
»Ich bin Bran, der Häuptling des Felsenvolkes. Ich bin kein Arer.«
Tigam begann zu weinen. »Tu uns nichts«, schluchzte sie. »Bring uns nach Arborg. Sie werden…« Wieder legte sie ihre Hand auf seinen Arm. »Sie werden dich dort reich belohnen.«
»Lass uns nicht von den Männern gefangen nehmen!« Inien sprang auf und stellte sich mit dem Rücken zum Feuer. Sie starrte nach Westen. »Lass sie nicht…« Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Lass ihn mich nicht wieder schlagen! Ich will nicht! Ich will nicht!«
Inien sank am Feuer zusammen und zitterte wie ein halb toter Hase. Bran hob sie hoch und legte sie neben Tigam.
»Ich habe gesagt, dass ich euch nach Arborg bringen werde. Und ich werde euch von niemandem fangen lassen.« Er breitete den Pelz über sie und hielt sein Gesicht in den Wind. Weit dort oben im Norden konnte er den dunklen Waldrand erkennen. Die Landschaft hatte sich noch nicht verändert, und er wusste, dass sie sich auf einen langen Weg vorbereiten mussten.
»Sie hat Angst vor Zoba.« Tigam wischte sich die Augen trocken. Iniens Kopf lag in ihrem Schoß, und sie streichelte über ihre Haare. »Zoba ist der Sohn des Hauses. Er sieht nicht, wie jung Inien ist, und begehrt sie seit langem. Zweimal hat er sie geschlagen.«
»Lasst uns jetzt schlafen.« Bran lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stein und legte sich den Umhang über Brust und Beine. Tigam kauerte sich an der Seite des Mädchens zusammen. Sie legte die warmen Steine hinter ihre Knie und vor den Bauch und schlug sie beide gut im Pelz ein. Bran spannte die Sehne des Bogens und legte den Pfeilköcher unter seinen Arm, damit er ihn schnell erreichen konnte, falls sie im Laufe der Nacht überrascht würden. Er hatte keine Angst davor, dass jemand hier draußen im Wind den Rauch des Feuers bemerken könnte, doch sein Umriss war auf der flachen, eisigen Ebene gut zu erkennen. Wanderer könnten ihn von weitem sehen. Bran blickte nach Süden. Wanderer! Es gab hier kein Leben. Niemand würde in diese Ebene ziehen, um zu jagen. Nur Flüchtlinge wie er selbst und die Sklavinnen hatten einen Grund, in diese Richtung zu gehen.
Bei diesem Gedanken wandte Bran sich nach Westen. Die Männer des Hofes könnten zurückgekehrt sein. Ihre Frauen würden ihnen von dem fremden Krieger erzählen, der durch den Schneesturm zu ihnen gestolpert war, und vielleicht gab es hinter der Hauswand, im Schutz des Windes, Spuren – Spuren, die nach
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