Brans Reise
gezogen, damit auch sie die Wärme spüren konnten und Essen und Trinken bekamen. Am Westrand des Lagers sang ein Mann immer wieder die gleiche Strophe. Es klang wie ein Gebet um Leben oder Gnade. Bran sah sein Gesicht im Lichtschein. Einer der anderen hatte sich über ihn gebeugt und wusch seine Stirn.
Da stand Gebrochene Lanze hinter einer Windhaut auf. »Tileder«, sagte er grinsend. »Komm ans Feuer! Hier, Feuer!«
Bran ging um die Haut herum und wäre fast über einen jungen Krieger gestolpert, der dort kauerte. Gebrochene Lanze saß mit drei anderen Männern am Feuer. Sie saßen auf ihren Sätteln und trugen dicke Pelze. Bran erkannte Katga wieder, der als Erster auf Arborg zugeritten war. Noch immer prangte eine Unzahl von Zöpfen in seinen verfilzten Haaren. Er hatte die Lanze neben seiner rechten Hand in den Boden gestoßen. Haarbündel und Federn raschelten im Wind. Der Mann neben ihm war jung und bartlos. Auch er hatte seine Lanze in den Boden gestoßen, als erwarte er jeden Augenblick einen Angriff.
»Setz dich.« Gebrochene Lanze deutete auf den Platz neben dem Bartlosen. Dann warf er dem Jungen ein paar Worte zu und trat ihm ans Bein. Als dieser sich von seinem Sattel erhob, grinste Gebrochene Lanze und sah wieder zu Bran. »Das mein Sohn. Er ist kruacha… Krieger. Guter Krieger. Aber nicht schlau.« Er beugte sich vor und klopfte auf den Sattel. »Setz dich, Tileder. Sprechen und Trinken. Gut.«
Bran trat über das kleine Feuer und setzte sich auf den Sattel. Der junge Old-Myrer sah zu ihm auf und blickte dann wieder auf seinen Sattel hinunter. Bran fühlte sich plötzlich wie ein hinterlistiger Räuber.
»Prach für den Tileder!« Gebrochene Lanze ließ sich mit dem Rücken zur Windhaut auf seinen Sattel fallen. Der Weinschlauch kreiste um das Feuer, und der Sohn von Gebrochene Lanze legte ihn in Brans Schoß.
»Trink!« Katga deutete auf seinen Mund. »Prach gut für Krieger!«
Prach musste Wein sein, dachte Bran, als er seine Lippen um die Holztülle legte und die Flüssigkeit in seinen Hals rinnen ließ. Doch er merkte sofort, dass dieses Gebräu stärker war als alles, was er bisher getrunken hatte. Es brannte in seiner Brust und vertrieb die Kälte aus seinem Körper, ehe er nach Luft schnappte und nach Atem rang. Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht von Gebrochene Lanze. Erst als Bran einen weiteren Schluck in sich zwang, zogen sich seine Mundwinkel wieder in die Breite, und er nickte.
»Das ist ein gutes Gebräu.« Bran wischte sich den Mund ab. »Es schmeckt warm.«
Gebrochene Lanze lehnte sich zu seinem Nebenmann hinüber und flüsterte etwas in dessen Ohr, worauf dieser den Kopf schüttelte, mit den Schultern zuckte und etwas murmelte.
Katga nahm seinen Spieß vom Feuer und warf ein dampfendes Stück Fleisch in Brans Schoß.
»Warm, jetzt essen!« Er biss sich in seinen Handrücken, wie um zu zeigen, dass Bran essen sollte. »Vandara kruacha gut.«
Bran riss einen Fleischfetzen ab und steckte ihn in den Mund. Das Fleisch war frisch, und nach all dem getrockneten Fleisch, das die Tirganer mitgenommen hatten, tat der Geschmack von Blut zwischen den Zähnen richtig gut. Er aß sein Fleischstück, während ihn die Old-Myrer still betrachteten. Es schmeckte nach Wildschwein. Vermutlich waren die Old-Myrer in den Wald hineingeritten und hatten auf dem Weg zur Schlacht gejagt.
»Ihr seid gute Jäger.« Bran wischte sich seine Hände an der Hose ab und rülpste. »Wildschwein habe ich schon seit vielen Jahren nicht mehr gegessen.«
»Wildschwein?« Gebrochene Lanze runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Vandara!«
»Wir…« Katga schlug sich auf die Brust. »Nach der Schlacht bei Torman, wir nach Osten. Trafen Vandara beim Wald, haben sie getötet. War gute Rache, töteten viele Vandara. Dann essen sie.«
Bran ließ seine Zunge an den Zähnen entlanggleiten. Er löste eine Faser zwischen den Zähnen und hielt sie ins Licht des Feuers. Vandara… Vandarer. Er dachte an das Heer der Vandarer, das an ihm vorbeigeritten war, als er die Ebene erreicht hatte. Er aß Menschenfleisch. Bran biss die Zähne zusammen und wartete auf die Übelkeit, doch sie kam nicht.
Gebrochene Lanze zog ein blutiges Stückchen von seinem Spieß und warf es ihm zu. »Iss mehr, Fleisch von Feinden macht stark.«
Bran sah sie an. Sie alle saßen da und schlugen ihre Zähne in tropfende Fleischstücke. Blut und Fleischsaft troffen von ihren Fingern.
»Ich will erzählen.« Gebrochene Lanze gab
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