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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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das Grab zu legen.«
    Bran folgte den Skergen aus dem Saal. Sie gingen zu Blutskalles Saal hinauf. Tigam war an dem steinernen Tisch zusammengesunken. So, wie Blutskalle inmitten des Lichtkegels lag, sah er fast so aus, als hätte er die Farbe der Wintersonne angenommen.
    Bran trat zu Tigam vor und half ihr auf. Die alte Frau stützte sich auf ihn und schwankte vom Steintisch weg. Die Skerge holten einen Sarg aus dem Dunkel an der Wand und begannen, dem Toten Stiefel und Rüstung anzuziehen und ihn mit Bogen und Waffen auszustatten. Es war nicht die Kriegsuniform eines Skergs, die sie ihm anzogen: Die Platten auf seinen Schultern glänzten golden, und sein Kettenhemd war aus Bronze geschmiedet worden.
    Zu guter Letzt legten die Skerge das Schwert wieder auf seine Brust und hoben ihn hoch. Blutskalles Nachfolger mit der frischen Narbe auf der Stirn blies in sein Horn und führte das Gefolge in Richtung Stadt.
     
    Die Menschen liefen um sie zusammen. Sie strömten aus den Winkeln zwischen den Häusern und bildeten schon bald einen langen Zug von Menschen, der den Skergen folgte. Die meisten warteten auf dem Platz vor dem Tor, und hier gesellten sich auch Trommler und Flötenspieler dazu. Bran musste Tigam stützen, denn sie selbst hatte keine Kraft mehr.
    »Es tut mir Leid«, flüsterte er. Das war alles, was er ihr sagen konnte. Etwas in ihm wusste, es wäre besser gewesen, er hätte sie in Vandar gelassen.
    Sie aber sah ihn mit ihren alten, faltigen Augen an und dankte es ihm auf diese Art.
     
    Blutskalle wurde an einem Ort beerdigt, der etwa einen Pfeilschuss von der Burg entfernt lag. Von dort aus hatte man einen guten Blick über das Meer und die Burg. Einige Dutzend kleiner Hügel verrieten, dass hier schon viele beerdigt worden waren. Vare erklärte, dies sei die Grabstätte der Skerge, und deutete dann auf ein weit gestrecktes Tal, ein paar Speerwürfe weiter im Landesinneren. Dort war die Ruhestätte der anderen Arborger. Bran wollte fragen, warum die Skerge nicht zusammen mit den anderen beerdigt wurden. Da jedoch traten die Krieger mit den Sackpfeifen ans Grab und begannen zu spielen. Tigam sank vor dem Steinhaufen zusammen. Die Arborger reckten ihre Schwerter zum Himmel. Sie hielten sie so, bis die Sackpfeifen verstummten. Dann war nur noch der Wind zu hören, und die Arborger begannen zum Tor zurückzugehen. Ein paar Frauen blieben bei Tigam zurück. Inien war eine von ihnen. Bran wollte sich zu den beiden setzen, als Visikal ihn an der Schulter packte.
    »Du bist jetzt ein Skerg«, flüsterte er. »Du darfst ihnen gegenüber keine Schwäche zeigen.«
    Bran sah sie an. Inien und eine Frau mit weißen Haaren hatten ihre Arme um Tigam gelegt, tätschelten ihren Kopf und halfen ihr hoch, als sie aufstehen wollte.
    »Komm, Bran. Lass uns zu den Schiffen hinuntergehen.«
    Vielleicht war es die Trauer, die ihn wie ein Schleier umgeben hatte, doch mit einem Mal begriff er, was das alles bedeutete. Es war Visikal, der hier an seiner Seite stand und von den Langschiffen sprach. Der Krieg musste vorüber sein, denn warum sollten die Tirganer sonst aus Vandar zurückgekehrt sein?
    »Virga hat dich mit Katga und Gebrochene Lanze gesehen.« Visikal lachte. »Er wagte es nicht, dich zu rufen, denn er war oben in der Stadt, wozu er gar kein Recht hatte.«
    »Die Arborger haben genug mit ihren Toten und Kranken zu tun.« Vare wandte sich an sie. »Wir haben die Männer gebeten, bei den Langschiffen zu bleiben.«
    »Die Gerüchte sind kursiert«, murmelte Visikal vergnügt. »Und als wir dich an der Feuerstelle sahen, erkannten wir, dass du jetzt mehr als ein Tileder bist, denn nur die Skerge sitzen in diesem Saal, wenn einer von ihnen gestorben ist.«
    »Wir hatten uns bereits von Blutskalle verabschiedet, als du kamst.« Ylmer hatte seinen Fuß auf einen Stein gestellt und blickte auf die Masten hinter dem Felsvorsprung hinunter. »Er hatte sich Frieden gewünscht.«
    »Frieden«, sagte Bran. Ein Krieg hatte gewütet, seit er das letzte Mal dieses Wort gehört hatte. Er hatte getötet und Männer sterben sehen, und es kam ihm so merkwürdig vor, dass er jetzt sowohl reich als auch voller Ehre nach Tirga zurückkehren sollte. Denn Reichtum hatte ihm Blutskalle versprochen; ein Langschiff sollte er bekommen, und um ihm Ehre zu erweisen, war er zum Skerg ernannt worden. Er war Visikal gleichgestellt.
    »Deine Männer haben heute die ganze Nacht gewacht.« Visikal klopfte ihm auf die Schulter, als sie den Pfad erreichten,

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