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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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flüsterte er. »Das Letzte, was er hört, darf nicht das Weinen einer Frau sein!«
    Bran traute seinen Ohren nicht. Als der Skerg seine Hand auf Tigams Schulter legte, um sie von dem Sterbenden wegzuziehen, packte Bran sein Handgelenk und schob ihn zurück. Der Skerg riss die Augen auf und griff nach seinem Schwert, doch Blutskalles Worte stoppten ihn.
    »Wer ist dieser Mann?« Er erhob seine Stimme und fing an zu zittern. Seine Wunde begann zu bluten.
    »Das ist Bran«, sagte Tigam. »Er hat mich über die Ebene gebracht. Er hat mich gefunden.«
    Blutskalle hustete. Blut rann auf seiner Hüfte zusammen. »Lass ihn vortreten.« Er drehte seinen Kopf zur Seite. Bran trat zu ihm vor.
    Blutskalle sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Du bist es«, flüsterte er. »Der Fremde. Ich habe dich gebeten… zu suchen.«
    »Ich habe sie auf der Ebene gefunden.« Bran sprach, während Blutskalle seine Augen wieder auf das Licht richtete, das durch die Dachluke hereinschien.
    »Ich werde dir ein Langschiff geben.« Blutskalle streichelte Tigams Haare. »Denn sie sagen, du seist über das Meer gekommen. Und um dir Ehre zu erweisen, werde ich dich…« Krämpfe schüttelten seinen Körper, und er ballte die Fäuste. Das Blut begann von dem Steintisch zu tropfen. »Um dir Ehre zu erweisen, werde ich dich zum Skerg machen. Mein Nachfolger… ist bereits ernannt. Aber du bist ein Fremder. Du darfst nicht… kannst hier nicht leben. Deshalb sollst du der vierte Skerg sein… von Arborgs Ehren.«
    Blutskalle stöhnte, und sie verstanden, dass Cernunnos ihn zu sich rief. Katga, Gebrochene Lanze und Bran wandten sich von den zweien am Steintisch ab und traten aus dem Saal. Sie schlossen die Tür hinter sich und blieben auf dem Tempelplatz stehen. Dann wandten sie sich in Richtung Meer und Himmel. Die Sackpfeifen klagten noch immer.
    Dann wurden die Türen geöffnet, und Arborgs Skerge ließen die Hörner erschallen.
     
    Die Throne im Saal der Skerge standen verwaist. Katga, Gebrochene Lanze und die Skerge von Arborg saßen im Kreis um die Feuerstelle. Bran saß bei ihnen, denn sie hatten ihn darum gebeten. Vier Generationen waren vergangen, seit Arborg zum letzten Mal einen vierten Skerg ausgerufen hatte, das hatte Katga ihm erzählt. Seither hatte niemand ein Wort gesagt. Bran blickte oft zur Dachluke empor, um die Zeit zu verfolgen, und jetzt bemerkte er, dass es Abend wurde. Lange, sehr lange hatte der Rat still dagesessen, und er hatte viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Blutskalles Tod bereitete ihm große Trauer. Er konnte nicht verstehen, warum Cernunnos es zugelassen hatte, dass er gerade jetzt von den Feinden tödlich verletzt worden war. Unzählige Kämpfe musste er ausgefochten und unzählige Männer getötet haben. Er hatte ein ganzes Leben nach ihr gesucht, und als sie endlich zu ihm kam, war es zu spät.
    Zu spät… Er grübelte darüber nach. Konnte Glück in Tagen und Nächten oder in Jahren gemessen werden? So wie die Sterne mit der Sonne erstarben, so war auch das Leben der Menschen vergänglich. Die Sterne aber wurden jede Nacht zu neuem Leben erweckt. Er starrte durch die Dachluke nach draußen, wo der Rauch mit dem Wind nach Süden trieb. War es so auch mit den Menschen, dass sie an einem anderen Ort ein neues Leben erhielten? Er glaubte das. Er wollte das glauben. Wie sonst sollte er an das glauben, was er im Schneesturm erlebt hatte, und hier im Tempel?
    Da sprangen die Türen auf. Drei Männer traten ein. Sie warfen ihre Umhänge über ihre Schultern zurück und grüßten mit geöffneten Handflächen. Doch sie sagten nichts. Erst als sie in den Lichtschein des Feuers traten, erkannte Bran sie wieder. Sie trugen jetzt alle dicke Bärte, und Vare hatte eine zusammengenähte Wunde auf der Hand. Ansonsten waren sie, wie sie immer gewesen waren. Visikal, Vare und Ylmer setzten sich auf das leere Fell gegenüber von Bran, nickten kurz den anderen zu und sahen verwundert zu ihm hinüber. Vare lächelte, während er den Kopf von der einen Seite zur anderen neigte, als könne er nicht glauben, was er sah. Visikal schloss die Augen und senkte respektvoll den Kopf.
     
    Während der ganzen Nacht saßen sie so. Bran verstand, dass es der Brauch der Skerge war, den Toten mit Stille zu ehren. Erst als das Tageslicht durch die Luke hereinfiel, standen Arborgs alte Skerge auf und gaben damit das Zeichen, dass der Rat vorüber war.
    »Blutskalle trinkt jetzt mit Cernunnos«, sagten sie. »Es ist an der Zeit, seinen Körper in

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