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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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ihnen gelungen war, trotz der Flammen und der gegnerischen Übermacht mit nur zwei Schiffen Verlust zu entkommen. Er ließ einen weiteren Weinschlauch um das Feuer kreisen und fuchtelte mit den Händen herum, als er von dem Schneesturm erzählte und von Torman und Blutskalles Suche. Er sprach voller Trauer über das Winterlager, das in die Hände der Vandarer gefallen war. Den gesunden Männern war es gelungen, mit den zwei Langschiffen zu fliehen, doch die Verwundeten… Tarba senkte den Kopf. Ihr Leben oder ihr Tod lag jetzt in der Gnade der Vandarer. Als er schließlich wieder in Arborg ankam und die Männer am Feuer ihre Blicke auf Bran richteten, hockte sich Visikal zwischen Nangor und Sturm.
    »Denkt daran, dass es ein Skerg ist, den ihr unter euch habt, Männer. Blutskalle hat ihn ernannt.« Visikal richtete sich auf und entrollte das Pergament, das er unter seinen Arm geklemmt hatte. Er runzelte die Stirn und ging weiter zu seiner Kammer im Bug des Schiffes. Plötzlich blieb er stehen und kratzte sich im Nacken. »Ja«, sagte er, »das hätte ich fast vergessen. Rian bittet dich, bei Sonnenaufgang in die Bucht vor Arborg zu kommen. Arborgs Skerge wollen dir ein Langschiff übergeben. Du solltest deine Krieger bitten, ihre Seesäcke zu packen. Vare wird dir ein paar seiner Männer schicken. Das wird deine Mannschaft bis Tirga sein. Wenn das Wetter gut ist, werden wir morgen Abend aufbrechen.«
    Visikal blickte wieder auf das Pergament hinunter. Er trat über die Balkenschwelle und duckte sich unter den Teppich, der die Bugkammer vom Rest des Schiffes abtrennte.
    »Skerg?« Nangor zog die Augenbrauen hoch. »Langschiff?«
    »Ich habe doch immer gesagt, dass einer meiner Tileder einmal Großes vollbringen wird.« Tarba legte ein Stück trockenen Torf auf das Feuer und schien nicht im Mindesten überrascht zu sein. »Und es war ja wohl eine Heldentat, Tigam zu finden und sie zu Blutskalle zurückzubringen.«
    »Jetzt erzähl!« Virga beugte sich in den Lichtschein des Feuers vor, doch Nosnavar zog ihn zurück.
    »So spricht man nicht mit einem Skerg!« Die Haut über seinem blinden Auge zuckte, bevor er zu Bran blickte und sich kurz verbeugte.
    »Es ist richtig, dass Blutskalle mich zum vierten Skerg ernannt hat.« Bran lehnte seinen Rücken gegen einen Balken. Kengber reichte ihm einen Brocken gesalzenes Fleisch. Das ließ ihn an die Felsenburg denken und an das Leben, das er dort geführt hatte. Er dachte an den Vogelmann und an Noj, das Lager am Meer und die Reise nach Tirga. Plötzlich wurde ihm klar, dass er bald zu ihnen zurückkehren würde. Zum Felsenvolk, seinem Volk, und zu ihr.
    »Ich bin kein Tirganer«, sagte er. »Ich bin von einem anderen Volk.«
    »Du bist jetzt einer von uns.« Tarba zog den Mund unter seinem Bart voller Entschlossenheit zusammen.
    »Ich finde, es ist an der Zeit, deine Geschichte zu hören«, sagte Nangor. »Bist du den ganzen Weg über Land gelaufen?«
    Bran rieb sich den Nacken mit den Knöcheln seiner Hand. Die Krallen wollten wieder zuschlagen.
    »Gebt ihm Wein!« Tarba kämpfte sich hoch und ging gebeugt zu ihm hinüber. Der alte Krieger reichte ihm einen Bronzebecher und schenkte ihm ein. Da stand Bran auf. Er erhob seinen Becher auf Keer, und die Männer tranken auf die Ehre des Toten. Bran ließ den Harzwein seine Kehle hinabrinnen. Im Vergleich zu dem Gebräu der Old-Myrer schmeckte er wie Honig. Er holte tief Luft und begann zu erzählen. Von der Tonne, in die Keer und er geklettert waren, und von der Nacht, in der sie fast erfroren wären. Er sprach über ihre Wanderung ins Landesinnere, die sie im Kreis zurück zu den Mauern von Oart geführt hatte. Keers Tod, der Hunger, der Hof, den er im Schneesturm fand, all das lebte für ihn an diesem Abend erneut auf. Aber er erzählte ihnen nichts von Cernunnos. Denn wie sollten sie verstehen, was er selbst kaum fassen konnte?
     
    Der Meeresspiegel stieg mit dem Mond. Dunkelheit breitete sich über dem Meer aus, und die Langschiffe wurden von den Wellen angehoben. Der Tang wälzte sich in der Strömung hin und her, und die Muscheln öffneten sich und streckten ihre Fächerarme aus. Sie lebten und jagten, während die Männer an Bord der Schiffe schliefen. Das war der Rhythmus der Tage an der Küste. Sogar die Seehunde, die sich den ganzen Tag über im Bereich der nördlichen Untiefen aufhielten, schwammen mit den Gezeiten nah an die Küste heran, um in den Fischschwärmen zu jagen.
    Die Tirganer schliefen in Frieden, und nur

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