Brans Reise
flüsterte der Hafenmeister. »Es gehört sich nicht für eine Frau von so hohem Stand wie Tir, in einem Zelt zu wohnen.«
Bran ließ seinen Blick über die Zelte schweifen, die um den Platz herumstanden. Hier wohnte sein Volk. Ein Zelt oder eine Steinhütte war immer gut genug für ihn gewesen. Er hatte sich nie mehr gewünscht. Und wo er sich wohl fühlte, würde es auch Tir gefallen.
»Baut das Zelt dort vorne auf.« Er deutete auf den offenen Platz neben Dielans Zelt.
Nakkar schüttelte resigniert den Kopf und ließ seine Männer mit der Arbeit beginnen. Turvi lächelte und stützte sich auf seine Krücke. Dielan trug einen Kessel zum Feuer. Bran half Turvi, sich auf einen Haufen Trockentang zu setzen, und dort warteten sie beide, während Gwen Schnee im Kessel schmolz und die Tirganer das Zelt aufbauten.
Eine Weile später saß er auf den dicken Pelzen in seinem eigenen Zelt. Es war ein merkwürdiges Gefühl, mit den Steinen die Feuerstelle herzurichten, den Kessel darüber zu hängen und Funken in den Trockentang zu schlagen. Bran hatte niemals zuvor ein eigenes Zelt gehabt und war unruhig. Er hatte Angst. Nie mehr würde er vor dem Einschlafen mit Dielan sprechen. Nie mehr würde er hören, wie sich sein Bruder unter der Decke umdrehte oder wie Gwen leise atmete.
Er zog die Felle vom Feuer weg und lehnte sie an die Zeltwände, um den Spalt zwischen Zelthaut und Boden abzudichten. Die Tirganer waren freigebig gewesen und hatten den ganzen Boden mit Hirschfellen bedeckt. Auf jeder Seite des Feuers hatte er einen Schlafplatz vorbereitet. Wo sie schlafen sollte, hatte er die weichste Decke ausgebreitet. Er hatte zwei Felle übereinander gelegt und sie ein wenig zur Seite geschlagen, so dass sie erkennen konnte, dass dies der bessere Schlafplatz war. Er selbst wollte näher am Eingang liegen, damit er sie nicht wecken musste, wenn er nachts nach draußen ging.
Es dampfte aus dem Kessel über der Feuerstelle. Die Flammen leckten an dem rußigen Eisen. Er hatte ihn von der Feuerstelle auf dem Platz hereingetragen. Zuerst war er noch einmal in Hagdars Zelt gegangen, doch der fiebernde Mann schlief, und Linvi hatte den Finger vor den Mund gelegt. Er grüßte sie mit offener Hand und ließ sie allein. Dann hatte er das schlechte Gefühl in seiner Brust hinuntergewürgt und den Kessel zu sich hineingenommen, wo ihn die Dunkelheit vor Freund und Feind abschirmte.
Bran nahm seinen Pelzumhang ab und zog Jacke und Hemd über den Kopf. Der braune Blutfleck prangte noch immer auf dem Leder der Jacke. Er schob seinen Zeigefinger durch das Pfeilloch und hängte sie an einen Zweig hinter seinem Rücken. Dann zog er Hose, Stiefel und Strümpfe aus. Gwen hatte ihm einen Leinenlumpen gegeben, der von einem alten Kleid stammte. Er tauchte ihn in das dampfende Wasser, legte ihn auf sein Gesicht und führte ihn über den Hals hinab. Dann legte er seine Handflächen zusammen und goss sich Wasser über den Kopf. Salz und Talg rannen über seine Stirn. Als er mit dem Lappen seine Brust wusch, mischte sich der warme Dampf mit dem Rauch des Feuers. Er schrubbte das Blut unter seinen Fingernägeln weg, spülte sich den Schweiß vom Rücken und steckte seine Füße in das warme Wasser. Zu guter Letzt beugte er sich über den Kessel und tauchte seinen Kopf in das Wasser. Er ließ die Wärme die Schmerzen unter seiner Stirn wegbrennen, bevor er sich wieder aufrichtete und die Haare zurückwarf. Das Wasser rann an ihm herab wie von einem Baum nach einem Regensturm, und er lauschte den Tropfen, die auf das Fell fielen.
»Tir«, sagte er. Zuerst leise, als ob dieser Name eine alte, vergessene Gottheit war. Als er ihn wiederholte, legte er Entschlossenheit und Stärke in seine Stimme. Aber es gefiel ihm nicht, und so hockte er sich hin und stellte sich vor, sie säße auf der anderen Seite des Feuers.
»Tir…« Es war so einfach, das zu sagen, und doch so schön.
Er sammelte seine Kleider zusammen. Sie würde seine Unordnung nicht mögen. Gwen wies Dielan immer zurecht, wenn er vergaß, seinen Bogen aufzuhängen oder Ordnung zu schaffen. Bran zog sich wieder an. Als er aufstand, um sich den Gürtel umzubinden, fiel sein Jagdmesser auf den Boden. Er zog es aus der Scheide und befühlte die Klinge. Dann fasste er sich ans Kinn. Sie hatte ihm den Bart abgeschnitten, als er im Turm lag. Er packte eine Strähne der langen, harten Haare. Wenn er sich den Bart stutzte, würde sie erkennen, dass er sich um sie bemühte. Vielleicht hatte sie
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