Brans Reise
Kragen. Er spürte ihre Finger so warm und weich auf seinem Hals. »Du hast mich gebeten zu sagen, dass ich deine Frau bin. Ich glaube… Ich weiß…«
Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, doch als er seine Arme um sie legen wollte, stand sie auf und ging gebückt über das Feuer. Dann schlug sie die Decke zur Seite und kroch nach draußen. Er sah ihr nach und hörte das Knirschen ihrer Stiefel im Schnee, bis sie verschwand.
»Tir gibt Hagdar Kräuter gegen das Fieber.« Linvi zog den Kessel zu sich herüber und begann Hagdar mit dem Holzlöffel zu füttern. Der Brei war dünn und duftete nach Süßwurzeln.
»Sie ist eine gute Frau«, sagte Hagdar schmatzend. »Und schön. Du hast einen guten Handel gemacht.«
»Handel?« Linvi legte den Löffel in den Brei und warf ihnen beiden diesen scharfen Blick zu, an den sich Bran nur zu gut erinnerte. »Ich habe das schon einmal gesagt: Sie ist kein Tauschobjekt! Sie ist eine Frau. Wie würdest du dich fühlen, Hagdar, wenn ich dich gegen einen Schlitten oder ein paar Bogen eintauschen würde?«
»Ich bin krank«, klagte Hagdar. »Quäl mich nicht mit schwierigen Gedanken. Und außerdem würdest du jetzt nicht so viel für mich bekommen, kränklich wie ich bin.«
Linvi verzog die Mundwinkel und gab Bran den Löffel. »Gib ihm keinen Wein, auch nicht, wenn er darum bittet!« Sie legte ihre Hand auf seine Wange. »Gut, dich wieder hier zu haben. Aber jetzt werde ich euch allein lassen.«
Als Linvi nach draußen krabbelte, nahm Bran ihren Platz ein. Er probierte den Brei, denn er hatte nichts gegessen, seit Tarba ihm am vergangenen Abend das gesalzene Fleisch zum Steuerruder gebracht hatte. Der Brei war süß, und er schmeckte getrocknete Apfelstückchen auf der Zunge.
»Tir hat mir Kräuter gegeben und ihre Heilmittel für mich gekocht.« Hagdar sah zu ihm auf. »Ich habe Wundfieber, verstehst du. Es will nicht aufhören. Aber es geht mir jetzt besser. Eine Zeit lang glaubten sie, ich würde sterben.« Er schob seine Hand zu Bran hinüber, vermochte sie aber nicht anzuheben. Bran nahm Hagdars schwere Faust in seine Hände.
»Du wirst bald gesund werden.« Bran stützte sich mit der Hand auf seinem Schenkel ab. »Wenn sich Tir um dich kümmert, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.«
Hagdar legte sich wieder auf die Seite, das Gesicht zum Feuer gewandt. Seine Augen glänzten. »Erzähl mir vom Krieg. Dein Bart ist gewachsen, seit sich unsere Wege getrennt haben. Erzähl mir von den Ländern im Westen.«
Bran drehte das Holz um, damit es nicht so schnell wegbrannte. Die Flammen erstarben, und ein blaues Licht glühte zitternd unter den geschwärzten Zweigen.
»Erzähl«, bat Hagdar. »Warum kommt ihr so früh? Wir hatten nicht vor dem Frühling mit euch gerechnet.«
Er sah auf den fiebernden Mann hinunter. Hagdar hatte keine breiten Schultern mehr. Er war nicht mehr stark, sondern gebeugt und gebrochen. Wie ein alter Hund blickte er zu ihm auf.
»Es war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.« Bran ließ seinen Blick in der Glut ruhen. »So viel Schmerzen, so viel Blut.« Er beugte seinen Rücken und lehnte sich zum Feuer vor. »Hunger und Kälte.«
»Ich habe viel Zeit«, murmelte Hagdar. »Stell den Kessel hier vor mich. Ich esse, während du erzählst.«
Bran tat, um was er gebeten worden war, und erzählte von der Fahrt nach Westen und der ersten Schlacht bei dem Winterlager. Er ließ die Worte die Erinnerungen an Oart wachrufen, an den einohrigen Priester, der unter der Axt fiel, an den Kampf auf See und daran, wie Keer und er in der Tonne an Land trieben. Da lachte Hagdar und bat ihn, den Weinschlauch zu suchen. Doch Bran erinnerte sich an Linvis Worte und tat so, als höre er ihn nicht. Er erzählte so lebhaft, dass Hagdar ihm in das Hügelland folgen und ihn auf seiner Flucht von Oart bis zu dem Hof begleiten musste. Und er sprach über Cernunnos, über die Worte, die er gehört hatte. »Zauberei«, erwiderte Hagdar darauf. »So etwas habe ich nie verstanden.«
Das Feuer war heruntergebrannt, als Bran zum Ende kam. Hagdar starrte zur Zeltöffnung an der Decke, wo sich die Zeltstangen trafen und den Rauch in den Winter entließen. Eine ganze Weile saßen sie so da und schwiegen, dann zog Hagdar seine Knie zum Feuer und bat ihn, Holz nachzulegen. Bran erfüllte seinen Wunsch und blieb dann bei ihm, bis er einschlief. Dann wischte er ihm den Schweiß von der Stirn und kroch nach draußen.
Bran stellte sich mitten auf dem Platz ans Feuer. Lille Vord
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