Brans Reise
Beste, so zu segeln, dass weder im Osten noch im Westen Land zu sehen war. Das war alles, was er über das Meer südlich von Krett wusste. Bald würden sie in unbekannte Fahrwasser geraten, wo Wale und gigantische Seeschlangen hausten. Er hatte gehört, dass die Sieben Reiche irgendwo auf der anderen Seite des Meeres lagen, doch auch dieser Ort wurde gefürchtet.
Als das Felsenvolk die Segel hisste und nach Süden aufbrach, wusste er, dass ihr Schicksal in den Händen der Götter lag. Welche Götter wusste er nicht, denn Kragg schien sie verlassen zu haben. Hier draußen gab es keine anderen Vögel als Möwen, und niemand hatte einen Raben gesehen, seit sie das Lager verlassen hatten. Also betete er zu Berav, dem Mann unter den Wellen, doch das Meer war still und riesig und hörte ihn nicht.
Tir
S ieben Tage und sieben Nächte segelte das Felsenvolk nach Süden. Der Wind stand gut, die Wellen waren friedlich und sie sahen weder Land noch Schiffe. In diesen Tagen kamen die Träume, die so lange in Brans Gedächtnis verborgen gewesen waren, wieder zum Vorschein. Wenn Dielan und Gwen wachten und er sich zum Schlafen unter das Segeltuch legte, träumte er die gleichen Bilder, die er in der Winternacht gesehen hatte, als er den Kurs nach Süden geträumt hatte. Er schwebte über den Strand am Lager, schwang sich nach Süden und passierte Blutsund und Zollschiff. Diese Bilder kannte er inzwischen gut, und sie stimmten mit dem überein, was er in den letzten Tagen gesehen hatte. Hinter dem Blutsund folgte eine lange Strecke über das Meer. Als er zum ersten Mal diesen Traum gehabt hatte, war das Meer hier unter ihm verschwunden. Dann hatte er an einem Strand mit schwarzen Kieseln gestanden und danach hatte er ein bewaldetes Tal hinter einer Bergkette gesehen. Doch jetzt sah er noch mehr. Er sah eine Reihe von Inseln und hinter diesen ein nicht endendes Meer. Er sah, wie sie die Boote an den Strand zogen und spürten, wie warm es war. Es roch nach Blumen und Honig.
Während der langen Wachen am Ruder sprach Bran häufig mit dem Meer. Es war gut, Dielan und Gwen um sich zu haben, aber er konnte mit ihnen nicht über all das sprechen, was ihn beunruhigte. Er begriff jetzt, was Turvi gemeint hatte, als er sagte, dass der Häuptling, der auf Noj folgen würde, die gleiche Einsamkeit wie dieser spüren werde, eine Einsamkeit, zu der jeder Häuptling verurteilt war. Dielan und Gwen waren mit Konvai beschäftigt, all ihre Gedanken schienen sich um Essen und Schlafen zu drehen. Auch die Männer in den anderen Booten hatten ihre Familien, sogar Turvi hatte seine Eyna, mit der er einschlafen konnte. Doch das Meer war immer da und hörte ihm zu, und so sprach er zu ihm. Er brauchte nicht einmal den Mund zu öffnen, denn das Meer wusste, was er dachte. Es wogte ihn auf seinen Wellen nach Süden, jede von ihnen so vollständig anders als die vorangegangene. Es seufzte am Bootsrumpf, pustete in die Segel und antwortete mit wortloser Bestimmtheit. Manchmal lehnte sich Bran über den Rand des Bootes und starrte ins Wasser. Sein Blick folgte den Sonnenstrahlen, bis sie im Dunkel ertranken, und des Nachts fuhr er mit der Hand über den silbernen Spiegel, den der Mond aufs Wasser legte, auf dass er einen Eindruck von der schwarzen Tiefe bekam. Dann spürte er Frieden, eine Ruhe, die er nie zuvor gefühlt hatte. Und er wusste, dass er sich nicht mehr zu den Bergen zurücksehnte.
Bei Sonnenaufgang des achten Tages hörte er Hagdar rufen.
»Land! Land im Süden!«
Der große Mann lehnte sich an den Mast des vordersten Bootes und schwang die Hand über dem Kopf. Männer und Frauen erhoben sich und spähten über die Bugsteven.
»Es sieht aus wie eine Insel«, sagte Dielan. Er war unter dem Segeltuch hindurch nach vorn gekrochen und spähte mit kleinen, schläfrigen Augen über den Rand des Bootes.
Bran klemmte das Ruder zwischen die Beine und hielt sich die Hand über die Augen, um die Sonne abzuschirmen. Ein paar Mann hoch über dem Meeresspiegel schien ein grüner Saum zu schweben. Es sah aus wie eine Insel, oder wie ein Land, das aus dem Meer emporragte.
»Vielleicht sind das die Sieben Reiche?« Er sagte das mehr zu sich selbst, doch Dielan hörte ihn.
»Die Sieben Reiche? Was sollen wir tun, wenn wir auf die Vandaren stoßen?« Dielan kroch zu Gwen zurück, die sich mit Konvai auf die Mittelbank gesetzt hatte.
»Lass uns einen Kurs nach Osten einschlagen« fuhr er fort und legte seinen Arm um sie.
»Vandaren?« Gwen
Weitere Kostenlose Bücher