Brans Reise
Zollschiff hatte in dem ruhigen Wasser vor der Öffnung des Kanals geankert. Die Segel waren um die Querbäume gewickelt und nur drei Mann waren an Deck zu sehen.
»Sie haben ihre leichten Boote zu Wasser gelassen.« Hagdar flüsterte Bran aufgeregt ins Ohr. »Sieh doch, die Ketten an der Schotseite hängen ins Wasser herunter.«
Bran wusste nicht so viel über die Seefahrt wie Hagdar, aber er hatte von den Kriegsschiffen der Kretter gehört. Sie trugen Ruderboote mit sich und wenn die Mannschaft an Land sollte, ließen sie diese aufs Wasser herab. An Deck konnte er die Heberäder erkennen und die Ketten, die über die Schot herabhingen. Die Kretter sind bereits im Kanal, dachte er und sah nach Norden an der Kante der Felsen entlang. Das Felsplateau lag glatt wie ein Tisch da, einzig unterbrochen von einzelnen Steinen und Felsbrocken. Kaum einen Bogenschuss von dort entfernt, wo sie standen, führte die Kluft nach Norden. Darunter lag der Kanal, der Schmugglerweg, der sie an dem Blutsund vorbeigeführt hatte. Er konnte das Land auf der anderen Seite des Meeres erkennen, Felsen und Wiesen. Auch dort bestand die Küste aus einer einzigen Felswand. Nur die dunkle Senke verriet, wo die Einfahrt in den Hafen von Krett lag. Dort brannte ein Feuer. Bran wusste, dass sie damit dem Zollschiff ein Zeichen gegeben hatten.
Er drehte Krett den Rücken zu und blickte ins Landesinnere. Grasbedeckte Hügel erstreckten sich endlos in den Abendhimmel. Der Kanal war eine Wunde in der Landschaft, wie der Schnitt eines riesigen Messers. An manchen Stellen, wie am Beginn der Bucht, verengte sich die Kluft auf die Breite nur weniger Speere. Bran fasste sich ans Kinn. Der Vogelmann hatte ihm Geschichten von fremden Völkern erzählt, die auf der Jagd das Wild in Abgründe trieben. Sie brauchten weder Pfeile noch Speere, um ihre Beute zu machen.
»Hagdar. Dielan.« Er winkte sie mit sich. »Wir müssen die Kretter aufhalten.« Bran sagte nicht mehr, denn er fand es besser, nicht zu viel von seinen Gedanken preiszugeben.
Sie brauchten nicht weit zu gehen, bis sie die Boote hörten. Das Platschen der Ruder hallte von den Felsen wider. Bran kroch zur Kante vor. Zwei Ruderboote, voll besetzt mit Krettern, glitten langsam durch das Wasser. Die Männer trugen schmutzige Gewänder, Kopftücher und breite Säbel in Gürteln über dem Rücken. Sie saßen still auf den Bänken und starrten nach vorn.
»Dielan.« Bran schob sich zurück zu Hagdar und Dielan und deutete auf den Abhang, den sie emporgeklettert waren. »Lauf zurück und scheuch die Echsen auf! Wirf kleine Steine in ihre Löcher!«
Dielan rannte los und Bran schlich sich an der Kante entlang. Dort, wo sich die Kluft zu weiten begann, legte er sich hin. Die Kretter waren noch immer einen Steinwurf hinter ihnen, doch gleich würden sie in die Bucht kommen und ihre Boote auf dem Strand entdecken.
Da hörte er, dass Dielan Steine in die Echsenlöcher warf, und es dauerte nicht lange, bis die großen Echsen ins Wasser glitten. Bran trat zu Hagdar zurück, der sich auf einen der Steine gesetzt hatte.
»Hilf mir mit dem«, sagte Bran und lehnte sich mit all seiner Kraft gegen den Felsbrocken. Hagdar erhob sich, und gemeinsam gelang es ihnen, den Stein bis zur Kante vorzurollen. Bran maß die Breite der Kluft mit den Augen. Hier am Beginn der Bucht war sie kaum eine Bootslänge breit. Er spähte zu den Krettern hinunter. Jetzt waren sie bald unter ihnen. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stein und stieß sich mit den Füßen ab.
»Du bist ein harter Mann«, murmelte Hagdar, als Bran den Felsbrocken in den Abgrund stieß. Dann war das Krachen des Bootes zu hören und gleich darauf hallten die Schreie der Kretter von den Felswänden wider.
Bran kroch zur Kante vor. Tief dort unten trieben die Reste des ersten Ruderbootes. Die Mannschaft schwamm auf das andere zu, das die Ruderer zu wenden versuchten. Der Stein musste mitten im Boot eingeschlagen sein, denn zwischen den Splittern der Planken trieben auch leblose Körper. Das erfüllte Bran mit seltsamer Freude. Die Klauen über seinen Augen lösten sich und er rannte zurück und hob einen etwas kleineren Felsbrocken an.
»Du kannst sie fliehen lassen«, sagte Hagdar. »Sie drehen schon um.«
Bran stellte sich dicht an den Rand der Kante und hob den Stein über den Kopf. »Sie würden in Krett Bescheid geben und dann hätten wir die ganze Kriegsflotte am Hals.«
Er schleuderte den Stein auf das andere Boot. Die Kretter bemerkten
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