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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Turm ankamen, schlugen die Wachen vor der Tür ihre Äxte zusammen. Dielan war voller Bewunderung und Furcht vor diesen bronzegrünen Kriegern, denn sie glichen den Halbgöttern aus den alten Sagen.
    »Visikals Nichte bittet um die Heilung eines Mannes, der sie gerettet hat«, sagte der Hafenmeister. »In Cernunnos Geist.«
    Eine der Wachen trat einen Schritt vor. »Lass sie selber sprechen.«
    Tir packte das Schwert aus und hielt es über den Kopf. »Ich bin Visikals Nichte Tir, Tochter meines verstorbenen Vaters Visikar und Enkelin von Sere, Töter der Vandaren. Ich bin Fa Tons einzige Überlebende und ich verlange, eingelassen zu werden und zu Cernunnos beten zu dürfen!«
    Dielan riss die Augen auf. Die Menschen auf den Straßen drehten sich um. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass Tir mit der Bestimmtheit eines Häuptlings zu sprechen vermochte.
    Die Wachen sahen einander an und nickten, und dann stellten sie die Äxte ab. Der Hafenmeister und seine Krieger traten zur Seite und ließen Dielan und Tir vortreten. Die Wachen legten ihre Hände an die Griffe des Tores. Eiserne Scharniere knirschten, und langsam, wie die Sonne des Abends am Himmel versinkt, öffnete sich das Tor.
     
    Ein Gott aus Dunkelheit, dachte Dielan, als er über die steinerne Schwelle trat. Das ist das Haus eines Gottes aus Schatten und Dunkelheit. Er fragte sich, ob Kragg ihm das verzeihen würde, denn der Saal, in den er jetzt trat, war so vollkommen anders als alles, was der Himmelsvogel seinem Volk gezeigt hatte. Als das Tor hinter ihnen ins Schloss fiel, blieb er stehen und sah sich um. In dem dunklen Licht der Fackeln sah er die Säulen, die geschwungenen Wände und die Treppe, die sich spiralförmig in die Nacht wand, die dort herrschte, wo er das Dach vermutet hatte. Zwei Reihen von Fackeln führten quer über den Steinboden hinüber zur anderen Seite des Saales. Dort beleuchteten die Fackeln eine steinerne Platte, die auf kurzen Säulen ruhte, und dahinter erkannte er zwei Arme, die sich aus dem Dunkel der Wand nach vorne streckten. Das waren die Arme eines Steinriesen, denn sie bewegten sich nicht, und seine Haut war grau wie die Säulen.
    »Komm«, sagte Tir. »Wir müssen ihn auf den Altar legen.«
    »Altar? Was ist das?« Dielan sah zwischen den Säulen hindurch. »Warum ist hier niemand?«
    Tir zog ihn am Arm. »Du musst dich beeilen. Leg Bran auf den Altar und lass uns allein.«
    »Ihn allein lassen?« Dielan eilte ihr nach. »Ich kann meinen Bruder nicht allein lassen!«
    Tir antwortete nicht. Dielan sah jetzt eine Gestalt zwischen den Säulen, die wie ein Unterirdischer aus dem Dunkel auftauchte. Er hastete hinter Tir her, die bereits vor der Steinplatte stand. Jetzt erkannte er auch den Körper, der seine steinernen Arme vorstreckte. Er sah den nackten Brustkorb, die Muskeln der steinernen Schulter und den breiten Nacken. Das Götterbild glich einem Mann, und vielleicht war es das, was es so hässlich aussehen ließ. Denn der Kopf des Riesen war nicht der Kopf eines Menschen. Er trug das Geweih eines Hirsches.
    »Leg ihn hierher.« Sie löste eine Fackel von der Wand und beleuchtete damit den Altar.
    »Du scheinst diesen Ort zu kennen.« Dielan legte Bran auf die kalte Steinplatte.
    »Ich war hier schon einmal. Aber beeil dich jetzt, geh raus!«
    Dielan warf einen Blick über die Schulter. Die Gestalt war jetzt in den Mittelgang getreten. Sie stand an einer Säule und starrte ihn an. Es war eine Frau, und sie trug einen dünnen Schal und lange Locken. Sie war schön. Sie machte ihm Angst.
    »Bruder.« Er beugte sich über Bran und legte seine Hände auf die Wangen seines Bruders. »Kragg ist bei dir. Denk immer daran. Er breitet seine Flügel über dich.«
    »Du musst jetzt gehen!« Tir hob einen blauen Dolch vom Boden vor den Füßen des Steinriesen auf. Sie fuhr mit der Klinge über die Flamme der Fackel. »Geh«, bat sie. »Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    Die andere Frau trat aus dem Schatten bei der Säule. Sie legte ihre Hand auf Brans Stirn und begann zu singen. Es war ein merkwürdiger Gesang. Die Töne ließen Dielan schwindlig werden.
    »Er hat Wundengift im Blut.« Tir sprach leise mit der anderen Frau. »Wir müssen das Tote aus ihm herausschneiden.« Sie legte das Messer an seinen Schenkel. Die warme Klinge zischte auf seiner Haut.
    »Cruacha Cernunnos…« Die fremden Worte zischten über ihre Lippen, während sie die weißen Fleischfasern durchtrennte. »Ah mo cruacha Cernunnos…«
    Dielan

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