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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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niemals zuvor derart helle Haare gesehen. Der Bart des Mannes war fast weiß, doch er war kaum älter als Dielan. Das Kettenhemd war schmutzig und von Rost zerfressen. Die zerschundenen Lederriemen, die es zusammenhielten, verrieten, dass es seit vielen Jahren benutzt wurde. Er trug einen Dolch unter seinem Gürtel, auf dessen Knochenknauf seine schwere Faust ruhte.
    »Wir…« Dielan stockte, denn er war es nicht gewohnt, mit Fremden zu sprechen. »Wir suchen nach einem neuen Land.« Er drehte sich um und suchte Turvi mit den Augen, doch da glitten die Boote in den Nebel hinein. Er legte sich wie eine Decke um sie, und das Einzige, was er sehen konnte, war der Arer.
    »Dieses Land gehört uns.« Der Seemann schob seine Daumen unter den Gürtel. »Wenn ihr auf der Suche nach einem Land seid, wo ihr wohnen könnt, müsst ihr weiterziehen. Wir werden euch aber nicht fortjagen, wenn ihr Wasser oder Nahrung braucht.«
    »Wir brauchen Wasser«, erinnerte sich Dielan. »Und Bran, mein Bruder, braucht die Hilfe eines Trollmannes. Ich habe von Cernunnos gehört und den Galuenen… und… vielleicht können die ihn heilen.«
    Die Augen des Arers wurden schmal. »Die Galuenen? Cernunnos? Sucht Ihr ihn?«
    Dielan wandte sich kurz ihrem Boot zu. »Ich habe von ihm gehört. Von Nangor, einem Seemann.«
    »Einem Seemann?« Der Arer strich sich über den Bart. »Es gibt viele Seemänner in Tirga. Ich werde mit dem Hafenmeister sprechen. Der kennt die Galuenen.« Der Arer beugte sich über die Reling und sah zum Boot hinunter. Als er Tir erblickte, neigte er den Kopf zur Seite und sah zu Dielan zurück.
    »Liegt er dort unter dem Tuch?«, wollte er wissen.
    Dielan kletterte über die Reling und hangelte sich zum Boot hinunter. Dann hob er das Segeltuch an, damit der Arer die Beine von Bran sehen konnte.
    »Er sieht tot aus.« Der Arer spuckte ins Wasser. »Bleibt in den Booten. Ich will nicht, dass ihr meine Mannschaft ansteckt.« Er löste das Tau, das er am Steuer festgebunden hatte, und warf es zu ihnen nach unten. »Ihr könnt auch mein Tau bekommen. Es ist ein gutes Tau. Sagt dem Hafenmeister, dass ihr es von mir habt.«
    »Ist es weit bis zum Land?« Dielan setzte sich auf die Mittelbank und half Nangor zu rudern.
    »Wir sind bald da«, sagte der Arer und verschwand im Dunst. »Dieser verfluchte Nebel liegt immer vor dem Hafen.«
    Die Bootsrümpfe lösten sich voneinander, und die Schiffe der Arer verschwanden. Undeutlich sah Dielan die anderen Boote neben dem seinen. Es roch nach Tang, und hörte er nicht dort vor dem Bug die Klänge einer Schmiede?
    »Es riecht nach Menschen.« Gwen schob sich die Haare aus den Augen und schnupperte. »Merkst du das, Dielan?«
    Dielan schloss die Augen und holte tief Luft. Es roch nach Feuerstellen und Pferdemist. Und jetzt hörte er die Geräusche ganz deutlich. Tirga war nah und damit auch Brans Heilung.
     
    Tirga. Diese uralte Hafenstadt der Arer. Was dachte das Felsenvolk, als sich der Nebel lichtete und sich Tirgas zwölf Türme vor ihnen offenbarten? Was dachten sie über diesen Ort, zu dem sie Brans Traum geführt hatte? Es kam ihnen wie eine göttliche Festung vor, und viele von ihnen, Männer wie Frauen, verkrochen sich unter den Segeltüchern, damit die Namenlosen sie nicht sahen.
    »Tirga«, sagte Nangor. »Nur einmal bin ich hier gewesen. Ich war damals noch ein Junge und ich glaubte, die Türme wüchsen in den Himmel. Ich schwöre bei Manannans tangbewachsenem Bart: Sie sind nicht kleiner geworden.«
    Dielan starrte nach vorn, doch er konnte nicht glauben, was er sah. Hinter der steinernen Mole, die ihre Arme viele Pfeilschüsse weit ins Meer ausbreitete, hinter Dutzenden von Schiffen und Masten stieg das Land an, bedeckt von Mauern, Treppen, Steinhäusern und Türmen. Es wirkte wie ein riesiger Ameisenhaufen, doch die Gebäude sahen nicht so aus wie diejenigen, die er aus Krett kannte. Hier gab es nichts Brüchiges, Verfallenes. Alles war aus senkrechten Steinwänden aufgebaut. Und durch die Geräusche des Hafens hörte er noch etwas anderes, als ob jemand mit einer Keule auf große Eisenschilde einschlüge.
    »Hast du das gesehen…« Gwen wickelte Konvai ihren Schal um. »Es sieht aus, als wäre die Stadt aus dem Felsen herausgeschnitten worden.«
    »Die Türme.« Dielan legte die Hand hinters Ohr. »Hör doch…«
    »Das sind die Glocken in den Türmen.« Nangor nickte, während die Erinnerungen zu ihm zurückkamen. »Die Galuenen heißen uns willkommen und geben uns

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