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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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etwa so alt wie Visikal selbst. Das muss seine Frau sein, dachte Bran. Doch dann erblickte er die Frau dahinter, die wie die erste ein Kleid und einen Schal trug. Sie war jünger, und hinter dieser folgte eine dritte Frau, die kaum älter als Bran selber war. Sie alle waren schön, fand Bran, doch er wunderte sich, dass sie nichts sagten. Die Erste trug einen großen Bronzekrug, während die anderen Becher brachten. Visikal lächelte zufrieden, als sie alles auf den Tisch stellten. Die Jüngste brachte ihm den Becher, den er auf dem Boden stehen gelassen hatte. Dann schenkten sie ihnen allen ein und verschwanden ohne ein einziges Wort wieder über die Treppe nach oben.
    »Auf den Frieden zwischen unseren Völkern.« Visikal streckte ihnen seinen Becher entgegen. »Und Tod unseren Feinden.«
    Bran beobachtete ihn, während er trank. Der kurze Bart verdeckte eine Unzahl von Narben. Seine Augen waren geschlossen, als ob der Wein ein lästiger Freund war, dem er all seine Aufmerksamkeit widmen musste.
    »Bran kommt in einem bestimmten Anliegen«, sagte Turvi, nachdem sie alle getrunken hatten.
    Visikal legte die Hände um den Becher und heftete seinen Blick wieder auf Bran, der wusste, dass er mit seinen Worten nicht mehr länger warten konnte. Er warf einen Blick auf den Ausgang. Durch das Gitterfenster auf der anderen Seite des Raumes konnte er die Krieger sehen, die mit den Speeren fochten.
    »Sag es jetzt«, flüsterte Hagdar, »sonst tu ich es.«
    Bran schob seinen Stuhl zurück, denn er fühlte sich von den Blicken, die auf ihm ruhten, wie gefesselt. Er sah zur verrußten Decke empor, ließ seine Augen dem Balken bis zur Wand folgen und dann an den Streitäxten hinunter zum Boden.
    »Ich wünsche Tir zur Frau.« Es war nicht so schwer, wie er gedacht hatte, die Worte über die Lippen zu bringen. Er blickte den grauhaarigen Krieger mit dem Bronzebecher an und fühlte sich stark und mächtig. »Ich bin Häuptling. Ich kann ihr alles geben, was sie braucht. Ich bin ein guter Jäger und ich habe für sie getötet.«
    Visikal schenkte sich aus dem Krug nach. Er leerte seinen Becher in einem Zug, wandte den Blick aber nicht von Bran ab.
    »Du bittest um viel«, sagte er schließlich. »Tir ist nicht nur die Tochter meines Bruders und steht somit unter meinem Schutz, sie ist darüber hinaus eine Galuene und hat geschworen, Cernunnos zu dienen.«
    Bran sah zu Turvi hinüber, doch der Einbeinige antwortete bloß mit einem Stirnrunzeln und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Ich kenne diesen Gott nicht, von dem du sprichst.« Bran trat in den Raum vor. Er spürte, dass es in seiner Brust zu kribbeln begann, und wusste, dass das die Wut war, die in ihm hochkochte. »Er hat nie zu mir gesprochen und hat sich nicht zu erkennen gegeben. Wenn er sie wirklich besitzt, lass mich gegen ihn kämpfen!«
    Hagdar sprang auf und legte die Arme um ihn. »Sei ruhig«, fauchte er, »du führst dich auf wie bei dem Inselkönig!«
    Bran schubste ihn weg. Er fürchtete diesen Visikal und all dessen Reichtum nicht, nicht jetzt, da die Wut unter seiner Haut brodelte.
    Aber Visikal ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er strich sich seine geölten Haare mit beiden Händen nach hinten. Dann zog er, noch immer auf dem Stuhl sitzend, sein Schwert. Einen Augenblick lang glaubte Bran, er wolle sich erheben, um mit ihm zu kämpfen, und er bereute es schon, seinen Speer nicht mitgenommen zu haben. Doch Visikal warf die Waffe auf den Tisch und lachte.
    »Ich habe mit euch schon auf die Freundschaft angestoßen. Und diese Freundschaft soll Bestand haben. Und deshalb lautet meine Antwort: Ja, Bran, wenn Tir will, soll sie deine Frau werden!«
    Bran traute seinen Ohren nicht. Hatte Visikal wirklich Ja gesagt? Dielan und Hagdar drückten einander die Hände, und Turvi grinste so breit, dass sein Bart zerfaserte.
    »Ja«, sagte Visikal. »Ich werde ihr sagen, was du mir gesagt hast und dass ich es befürworte. Aber dann musst du mir auch einen Gefallen tun. Zieh mit mir in den Krieg, Bran, und zeige, dass du treu zu Tirs Volk stehst. Wenn du heimkommst, wird sie dein sein.«
    Bran sank auf den Stuhl.
    »Noch etwas Wein?«, fragte Visikal und goss nach.
    »Wir müssen darüber nachdenken«, sagte Turvi mit einem Räuspern, während Dielan und Hagdar aufstanden und dem Einbeinigen hochhalfen, denn mit einem Mal erschien das alles so unglaublich. Sollte er mit einem Volk, das er kaum kannte, nach Osten segeln und mit Waffen, die nicht die seinen waren,

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