Brasilien: Ein Land der Zukunft
wiederholten Hügelwellen die eigentliche Pflanzung; wie eine Insel liegt jedes dieser Häuser in einem unabsehbaren Meer von Grün. Aber dieses Grün ist – adieu Romantik! – eigentlich recht monoton, und man darf es sich nicht verschweigen, daß Kaffeepflanzungen oder gar die Tee-Hügelungen, die man von Ceylon kennt, im Grunde ungeheuer langweilig wirken. Die Kaffeesträucher, alle gleich hoch und gleich breit und von dem gleichen, kalten Grün, sind in ganz gleichen Abständen voneinander gepflanzt, und man hat das Gefühl einer militärischen Kolonne in Blattgrün statt in Feldgrau, die ohne Schwung und Farbenfreude in die Ferne marschiert; bald ermüdet das Auge, diese gekämmten grünen Hügel anzusehen, und man freut sich, wenn man auf eine Bananenpflanzung stößt, die mit ihren wirren Büscheln, mit ihren wiegenden Kronen doch Baum zu Baum individueller wirkt und nicht so trostlos monoton. Aber der Sinn dieses Strauches ist ja nicht seine Schönheit, sondern seine Fruchtbarkeit; jeder einzelne dieser nicht einmal mannshohen Büsche bringt zweitausend Beeren mindestens im Jahr (man erntet bei diesen Qualitätspflanzungen nur ein einziges Mal), und da auf diesen Fazendas oft Hunderttausende solcher Sträucher abgeerntet werden, kann man das Geheimnis dieser tiefen, dunklen Erde begreifen, die solche unvorstellbare Mengen mit Saft und Süße bis in den letzten Bohnenkern erfüllt.
Die eigentliche Ablesearbeit ist so einfach wie nur denkbar. Hier allein hat die Technik noch nichts erfunden, um den Menschen überflüssig zu machen; wie vor Hunderten Jahren werden von der Hand der Pflücker die Beeren vom Strauche genommen, und vielleicht singen die Arbeiter dieselben monotonen Lieder zu denselben monotonen Bewegungen wie einst die schwarzen Sklaven. Dann werden die Bohnen, als wäre es Sand, auf Wagen und Lastautomobile gekarrt, in die Fazenda gebracht und hier dem König Kaffee einige vorgeschriebene Zeremonien erwiesen, als da sind eine gründliche Waschung und darauf eine Trocknung in der prallen Sonne; dann erst werden mit Schüttelmaschinen die Hülsen von dem eigentlich Kern gelöst und die entschälten, gereinigten Bohnen dann über Leitungen und Siebe in die Säcke verstaut.
Damit ist (oder scheint) die Arbeit zu Ende. Es ist kein romantischer Prozeß, nicht anders etwa, als wenn man Erbsen aus der Schote nimmt und trocknen läßt, und nur eines war mir bei allen diesen Prozeduren auf dem Felde und in der Fazenda und in der Fabrik überraschend – die totale Abwesenheit jedes Aroms. Ich hatte gemeint, wenn man eine Kaffeepflanzung mit Tausenden Büschen durchschreitet, mußte man einen Duft von diesem aromatischesten aller Getränke spüren, einen feinen Duft, der dies weite Grünen umwebt und überschwebt, einen Duft, wie man ihn doch selbst bei einem Getreidefeld spürt oder in jedem Wald und Holzschlag. Aber sonderbar: der Kaffee ist vollkommen stumm, er verbirgt hartnäckig sein Aroma im innersten Kerne. All die geheimnisvollen Salze und Öle und Ingredienzen, die sich, sobald die Körner geröstet sind, so stark und würzig lösen, bleiben vordem völlig tot und stumm; man kann in den Magazinen bis zu den Knöcheln in Kaffeebohnen waten, und es duftet so wenig wie wenn man in trockenem Sand stapfte, nicht einen Augenblick wüßte man mit verbundenen Augen auf einer solchen Fazenda, ob die verschnürten Bündel und Säcke Baumwolle enthalten oder Kaffee oder Kakao; es war eine kleine Enttäuschung für mich, der ich hier von einem süßen, narkotischen Brodem träumte, zu sehen, wie die Tausende Säcke dieser köstlichen Nervenwürze tot und stumm und duftlos übereinander geschichtet lagen, als wären sie Zement.
Und die zweite Überraschung dann in Santos, dem großen Verladehafen Brasiliens; ich hatte gemeint, daß die ganze Prozedur mit der Einfüllung des Kaffees in Säcke schon beendet sei. Nun sah ich dort in den großen Betrieben, daß die Arbeit noch einmal beginnt. Denn die Welt will nicht da und dort den gleichen Kaffee, die einen bevorzugen die großen, die anderen die kleineren Körner, so wie man auch in den Schlachthäusern Argentiniens sieht, daß die Fleischsorten nach dem verschiedenen Geschmack der einzelnen Länder fett oder mager, Großvieh oder Kleinvieh gleich an der Exportstelle sortiert werden. Noch einmal muß in Santos, diesem großen, glühenden Backofen am Meer, jede einzelne Kaffeebohne heraus aus ihrem Sack. Noch einmal werden sie zusammengeschüttet zu
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