Brasilien: Ein Land der Zukunft
schwarzen Negersklaven nicht zurückstehen. Auch sie wollten ihre Kirchen, in denen die Heiligen dunkelfarben sein sollten wie sie selbst, und sie brachten ihre geringen Ersparnisse, sich gleichfalls eine solche Herrlichkeit zu erbauen. So entstand auf dem anderen Flügel von Ouro Preto die Kirche Santa Ifigenia, gestiftet von »Chico Rei«, einem Negersklaven, der in Afrika Fürst seines Stammes gewesen und durch besonders glückliche Goldfunde sich und die Sklaven seines Stammes freigekauft. Dieser Kranz von Kirchen leuchtet heute mitten im einsamen Bergland und über den verschollenen Städten – ein einziger Anblick und ein wahrhafter Augentrost. Denn was der Fluß in ewiger Mühe herangeschwemmt, was die dunklen Berge von ihren Schätzen, den längst noch nicht ganz gehobenen, gegeben, hat sich in den edelsten und dauerhaftesten Wert dieser Erde verwandelt: in Schönheit. Längst sind die Städte, die Siedler verschwunden aus diesen wieder vereinsamten Tälern, aber die Kirchen sind geblieben als Wächter und Zeugen vergangener Größe. Ouro Preto, in seiner düsteren Verfallenheit das Toledo Brasiliens, und Congonhas, lieblicher gelegen und von milden Palmen gekrönt, sein Orvieto oder Assisi, haben der Zeit Trotz geboten, indem sie die Vergangenheit treu bewahrten. Mit Recht hat sich Brasilien entschlossen, dies kostbare Vermächtnis unversehrt als »nationales Denkmal« zu erhalten, um so mehr als Ouro Preto auch in seiner nationalen Geschichte durch die Verschwörung der »Inconfidência Mineira« [Unabhängigkeit der Menschen von Minas Gerais] ein Ort der Pilgerschaft geworden ist. Diese Städte gesehen zu haben, ist ein Erlebnis besonderer Art und nicht bloß eine Augen- und Seelenfreude. Denn geheimnisvoll fühlt man an ihrer eigentlich unverständlichen Existenz die vielfältige Magie dieses gelben Metalls, das Städte in die Wildnis stellt, in den wüstesten Freibeutern Sehnsucht nach Kunst erregt, das hier wie immer die guten Instinkte anreizt wie die schlimmen, und, selber kalt und schwer, in dem Blut und den Sinnen der Menschen die heißesten und heiligsten Träume erregt – dieses geheimnisvollen und unzerstörbaren Wahns, der aber- und abermals die Welt verwirrt.
Mit einem letzten Blick auf diese romantisch düsteren Hügel mit ihren wie Engelsschwingen sie überschwebenden Kirchen hat man diese eigenartige Welt verlassen, die der trügerische Glanz des Goldes vor Jahrhunderten wie eine Fata Morgana in den leeren Raum gezaubert hat. Aber man will nicht aus diesen Tälern des Goldes, ohne mit eigenen Augen wenigstens einen Schimmer oder eine Spur des geheimnisvollen Elements gesehen zu haben, das die Menschen hierhergetrieben, man will nicht aus der Goldwelt, ohne Gold berührt, betastet zu haben. Die Gelegenheit scheint leicht gegeben. Denn ab und zu im Vorüberfahren sieht man noch einen Mann mit beiden Füßen tief im Rio das Velhas stehen und nach alter Weise den Sand im Siebe schütteln; auch dies hat sich nicht geändert in zweihundert Jahren: noch immer versuchen hier arme und keineswegs mehr romantische Goldgräber ihr Glück, denn es ist jedem verstattet, nach alter Weise dem Schwemmgold nachzuspüren. Gerne hätte ich einem dieser armen Glückssucher bei dieser mühseligen Arbeit zugesehen; aber man warnte mich, nicht meine Zeit zu vergeuden. Denn Stunden und Stunden, ja oft Tage und Tage schütteln diese Ärmsten der Armen vergeblich das Sieb und schöpfen sinnlos den leeren Sand. Und es bedeutet schon eine besondere Glücksstunde, wenn einer endlich ein einziges gelbes winziges Körnchen in seinem Siebe findet. Davon kann er wieder notdürftig ein paar Tage leben, um so Woche für Woche weiter zu schütteln und zu suchen; es ist ein tragisches, ein verzweifeltes Bemühen geworden, hier noch im angeschwemmten Sande nach Gold zu suchen. Während die »garimpeiros«, die Diamantensucher, ein guter Fund manchmal für Jahre entschädigt, sind diese Franktireurs [Freischärler] der Goldjagd schlimmer daran als der ärmste Arbeiter. Goldgewinn ist längst nur mehr in organisierter und kollektiver Weise möglich wie in den modernen Minen von Morro Velho und Espírito Santo, die von englischen Ingenieuren geleitet und von amerikanischen Maschinen bedient werden. Es ist ein ungemein komplizierter, aber aufregend sehenswerter Betrieb, der einen vom Tageslicht tief in die Unterwelt führt; das Gold von Minas hat sich, seit es sie in ihrer Wildheit kennenlernte, vor den Menschen längst in die
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