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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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daß er sich einen eigenen zu seinen demokratischen Spazierfahrten reservierte. Welcher Fehler, wollte man diese ein wenig lärmende und wacklige Romantik verschwinden lassen, um das zu haben, was alle andern haben, und damit etwas zu verlieren, was Rio allein gehört: seine farbige, unbesorgte Lebendigkeit!

Gärten, Berge und Inseln
    Nachts, wenn man an das Fenster tritt und das Meer liegt still und keine Brise geht, dann spürt man es an dem weichen, satten, mit geheimnisvollen Ölen und Harzen durchsüßten Atem der Luft, daß man in Rio immer inmitten von Bäumen und Gärten ist. Man begegnet ihnen überall. Nie eine Minute ohne einen Blick auf Grün. Die Straßen sind vielfach mit Palmen bestanden, um jedes kleine Haus quellen dichte Büschel, mit Blumen und sonderbaren Früchten durchsprenkelt, und je mehr man sich vom Meere entfernt, um so üppiger entfalten sich die Parks, und manche der Villen verschwinden fast völlig in ihrer andrängenden Umfassung. Immer sieht man auf Grün und überall. Manchmal weitet es sich zu breiten Gärten, wie auf der Prac̣a Paris und Prac̣a República, aber innerhalb der Stadt ist es immer noch gezähmte, gebändigte, gehütete Natur. In Tijuca aber schon wirft sie sich ungestüm wie ein Ozean heran, ein dicht verschlungenes Gewirr von Bäumen und Sträuchern und Lianen, es ist, als ob – so wie beim Meere die Wellen wetteifern, zuerst an den Strand zu gelangen – diese Stämme und Gipfel miteinander ringen und kämpfen würden, um aus dem grünen Dickicht hinauf an die Sonne sich durchzustoßen. Wald ist hier nicht wie bei uns dämmernder Durchblick, sondern dunkle kompakte Masse, und wenn man versucht, in ihn einzudringen – nur einige Schritte – , so fühlt man sich gefangen, isoliert wie unter einer Taucherglocke; der Atem spürt die fremde und zusammengedrängte Luft wie den schwülen feuchten Atem eines riesigen und gefährlichen Tiers; man hat – eine Stunde von der Stadt – an die Zone des Urwalds gerührt.
    Darum ist der Botanische Garten Rios – der nach Aussage aller Fachleute (ich bin es nicht) auch der reichhaltigste der Welt sein soll – ein solches Wunder und eine solche Wohltat. Hier ist alles, was der Urwald enthält, ohne seinen Schrecken, seine Endlosigkeit, seine Unwegsamkeit, seine Gefahr. Hier sind alle Bäume, alle Pflanzen, alle Phänomene der Tropen in ihren großartigsten Exemplaren, und man kann sie mühelos bewundern. Schon die gigantische Palmenreihe des Eingangs ist ein wunderbares Bild, die Triumphallee, die sich ein König – König João VI. – vor anderthalb Jahrhunderten errichtet hat, und die so herrlich symmetrisch und aufrecht stehen wie die Säulenreihe eines tausendjährigen griechischen Tempels. Man hat unzählige Palmen gesehen, hier in Brasilien und anderorts, und meint doch nie gewußt zu haben, wie herrlich majestätisch, wie wahrhaft königlich eine Palme sein kann, ehe man diese sah – kerzengerade, wunderbar rund der Stamm mit seiner arabisch-feinmaschigen Panzerhaut und hoch dann, oh, ganz hoch, viel höher als man jemals den Blick erhoben, die Krone. Und rings herum, zur Rechten, zur Linken dann die Vasallen, herberufen aus allen Ländern und Zonen, aus Sumatra und Malakka, aus Afrika und vom Äquator, ein Riesengeschlecht vielfältigster Art. Man weiß sie nicht anzusprechen, man weiß ihre Namen nicht, man kennt die Früchte nicht, die sonderbar geformten und gefärbten, die sie in ihrem Laubwerk tragen, aber man spürt, daß diese Riesen uralter Herkunft sind, und man sinnt den exotischen Fernen nach, aus denen sie gekommen, um ihre Früchte und Farben vereinigt hier darzubieten. Und dann wieder, überschattet von bunten Sträuchern, im sumpfigen Teich die mächtigen Blüten der Victoria Regia und auf den höheren waldigen Teilen Bäume und Sträucher unserer Zonen, die man wie Freunde in der Fremde erkennt – ein lebendiges Museum einerseits, ist dieser Garten doch gleichzeitig ein vollkommenes Stück Natur. Denn nichts ist genialer in seiner Anlage, als daß er einem der mächtigen Hügel angelehnt ist; dadurch wird die Illusion erweckt, als ginge von hier, mitten aus einem Park und einer Weltstadt, dieses wogende Grün weiter und weiter ins Land, das ganze Reich, die ganze Welt entlang, und man sei erst am Anfang ungeheurer Überraschungen. Nicht einen Augenblick fühlt man sich umgrenzt. Es ist, wie wenn man von einem Vorgebirge jäh an das Meer tritt, eine unvergeßliche Vision von der

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