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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Augen zusammenkniff, ihr dann aber einen kleinen Schlüssel aushändigte und auf einen Knopf drückte, der mit einem Summton die nach innen führende Glasschiebetür öffnete. Als er den Eingang durchschritt, fühlte sich Tristão wie von Röntgenstrahlen durchleuchtet, die Rasierklinge in seiner engen, schwarzen, feuchten Badehose vibrierte, genau wie sein Penis, der zu einem gekrümmten Cashewkern geschrumpft war.
    Der Aufzug, dessen Türen mit einem silbrigen, dreieckig gemusterten Metall verkleidet waren, glitt nach oben: ein Messer, das aus seiner Scheide gezogen wird. Da war ein kurzer Korridor mit gestreiften Wänden in einer gedämpften Variante der fruchtigen goldenen Farbe ihres zusammengeknüllten Strandkleids. Eine Kassettentür aus rotem Brasilholz, glänzend blank poliert, öffnete sich ihrem kleinen Schlüssel, der nicht größer war als seine Rasierklinge. Drinnen herrschte das Schweigen erlesenster Materialien – Vasen und Teppiche und gefranste Kissen und die goldgeprägten Lederrücken von Büchern. Er hatte sich noch niemals in einem solchen Raum befunden. Er hatte das Gefühl, daß ihm Bewegungsfreiheit und die Luft zum Atmen genommen wurden. «Wer wohnt hier?»
    «Mein Onkel Donaciano», sagte das Mädchen. «Mach dir keine Sorgen, du wirst ihm nicht begegnen. Er arbeitet den ganzen Tag, im Centro. Oder er spielt Golf und trinkt mit seinen Geschäftsfreunden. Das ist seine eigentliche Arbeit, mit den Freunden zu trinken. Ich werde dem Hausmädchen sagen, daß sie uns auch etwas zu trinken bringen soll. Oder möchtest du vielleicht etwas essen?»
    «Oh, nein, Senhorita. Ich bin nicht hungrig. Ein Glas Wasser oder einen kleinen suco, mehr brauche ich nicht.» Sein Mund war staubtrocken geworden, während er sich umsah. So vieles gab es hier, das man stehlen konnte! Von einem einzigen silbernen Zigarettenetui, von zwei kristallenen Kerzenleuchtern konnten er und Euclides einen ganzen Monat leben. Die Gemälde, die Rechtecke und Kreise und wilde Farbspritzer zeigten, hatten sicher keinen großen Wert, es sei denn für den Maler im Augenblick des Malens, aber auf den Rücken der Bücher sah er Buchstaben aus purem Gold.
    Er staunte über die Höhe der Regale, die bis zur Größe einer Palme aufragten. Dieser Raum der Wohnung hatte Galerien an zwei Seiten und als Decke eine kuppelförmige Rose aus mattierten, gläsernen Blütenblättern, aus deren Mitte an einer Kette, die so lang war wie die des Ewigen Lichts in einer Kirche, ein Kronleuchter mit s-förmig geschwungenen Messingarmen herabhing. Sich im Inneren eines Gebäudes zu befinden hatte für Tristão immer die lichtlose Höhle einer Elendshütte bedeutet. Hier war es so hell, daß er das Gefühl hatte, sich im Freien aufzuhalten, geschützt vor jedem Luftzug in einer lichtdurchfluteten Stille, die ihn gefangennahm.
    «Maria!» rief Isabel mit halber Stimme.
    Die stämmige junge Frau, die ohne Hast, als hätte sie einen weiten Weg durch viele Zimmer hinter sich, zur Tür hereinkam, blickte voller Verachtung, mit einem Aufflackern von Angst in den tiefliegenden Augen, auf Tristão. Sie hatte dicke Wangen, ein indianisches Erbteil oder die Folge von Schlägen, mit Pockennarben darauf. Ihr gemischtes Blut hatte der Haut den düsteren Farbton von Schnupftabak verliehen. Bestimmt hätte dieses Hausmädchen seine diebischen Gedanken lesen können und sich darüber erhaben gefühlt. Als ob ihr Leben in den Häusern der Reichen, ihr Auftritt in den adretten Kleidern, die ihr die Reichen zur Verfügung stellten, nicht selbst schon eine Art Diebstahl war.
    «Maria», sagte Isabel in einem Tonfall, der weder herrisch noch zaghaft klingen sollte, «bring uns zwei vitaminas mit Bananen oder Avocados, wenn welche da sind. Für mich nichts weiter, aber für meinen Freund noch irgendwas zu essen, vielleicht etwas von dem, was du dir selbst zu Mittag gemacht hast? Das ist mein Freund Tristão.» Zu ihm gewandt, fragte sie: «Ein Sandwich?»
    «Das ist wirklich nicht nötig, Ehrenwort», protestierte der Junge mit aller Tapferkeit, die seine ragende Stirn, die beherrschenden hellen Augen, die Tiefen hinter seinem Blick versprachen.
    Doch als das Essen auf dem Tisch stand – aufgewärmter acarajé mit gebackenen Bällchen aus vatapá, Shrimps und Paprika –, aß er wie ein Wolf. Er hatte seinen Hunger dazu erzogen, sich nicht bemerkbar zu machen; doch wenn es etwas zu essen gab, erwachte er zur Wildheit, und so blieb nichts, nicht einmal ein Fleck, auf dem

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