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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Knöchel waren im Todeskrampf zu rechten Winkeln erstarrt. Treue, sagte sein steifer Körper, wie er sich hier in den Sand krallte.
    Onkel Donaciano schloß zu ihr auf, und bei ihm war ein sehr junger und dicklicher Polizist. Eine Menschenmenge lief im Licht der Morgendämmerung zusammen: Tänzerinnen und Kellner und Taxifahrer und Animiermädchen, die mit der Arbeit dieser Nacht abgeschlossen hatten, und Bankangestellte und Boutiquenbesitzerinnen und Hausfrauen, die ihren Tag mit einem Dauerlauf über die Copacabana begannen. Ein Wald aus dünnen, braunen Beinen war emporgeschossen. Ein runzliger alter Straßenhändler, dessen Bartstoppeln auf der verbrannten Haut seines Gesichts weiß wirkten, hatte seine Bude auf dem Bürgersteig bereits geöffnet und verkaufte Kokosmilch und Cola und die kalten empadinhas vom Vortag an alle, die schon Durst und Hunger hatten. Ein kleiner Negerjunge mit aufgerissenen Gespensteraugen brachte Tristãos ausgeraubte Brieftasche an, die er irgendwo am Bordstein aufgelesen hatte, und blickte, um Belohnung heischend, erst auf den Polizisten, dann auf Isabel und endlich auf Onkel Donaciano. Als er ein blasses Bündel Cruzeiros erhalten hatte, rannte er davon; Sand flog unter seinen Füßen auf wie kleine Flügel. Abergläubisch hatten die Mörder ein Foto von Tristão und Isabel als blutjunges Paar auf dem Gipfel des Corcovado in der Brieftasche zurückgelassen, außerdem eine Christophorusmedaille, die so dünn war wie eine Rasierklinge. Hatte sie in ihrer mädchenhaften Frömmigkeit sie ihm geschenkt, in jenen heimlichen, wilden ersten Wochen? Die Luft vibrierte von Fragen, gemurmelten Bekundungen von Anteilnahme und Trauer, einer gespannten Erwartung, die sich auf Isabel richtete. Die Menge wollte hören, wie sie jammerte und klagte und ihrem Schmerz einen denkwürdigen Ausdruck verlieh. Doch die Gefühle in ihrem Inneren waren streng und gefaßt, wie altes Schnitzwerk, das auch abgeblättert und beschädigt noch die Gesetze seiner Symmetrie verkündet.
    Sie erinnerte sich an eine Geschichte, die sie einmal gelesen hatte, in ihren frühen Tagen auf der Serra do Buraco, ehe sie sich auf die Maniküresalons eingelassen und Azor und Cordélia zur Welt gebracht hatte. Um ihre einsamen Tage in der Goldgräberhütte auszufüllen, vertiefte sie sich in die Artikel auf zerknitterten und fettverschmierten Zeitungsseiten, die als Verpackung von Werkzeug- und Vorratslieferungen ihren Weg auf den Berg gefunden hatten und meist von den Liebesabenteuern und Skandalen berühmter Leute berichteten. Einer dieser Artikel handelte von einer Frau, die sich, vor langer Zeit, als ihr Geliebter gestorben war, neben ihn legte und ihrem Herzen befahl, stillzustehen. Das Herz hörte zu schlagen auf. Sie starb, um ihre Liebe zu beweisen.
    Tristãos Körper war höher auf den Strand gezogen worden, um dort auf den Arzt zu warten. Sandkörner klebten an der Hornhaut seiner offenen Augen und überzuckerten seine verzerrten Lippen. Isabel streckte sich neben ihm aus und küßte seine Augen, seine Lippen. Schon hatte ein bitterer Geschmack von seiner Haut Besitz ergriffen. Die Menschenmenge ahnte das Große, das sie vorhatte, und verfiel in ehrfürchtiges Schweigen. Nur ihr Onkel, peinlich berührt von dieser Zurschaustellung Brasilianischer Vulgärromantik, störte die Stille mit dem Ausruf: «Um Himmels willen, Isabel!»
    Sie schob ihren Körper höher hinauf und öffnete ihren Morgenmantel, so daß Tristãos Marmorgesicht an ihrer warmen Brust lag; dann schlang sie einen Arm um seinen Körper in dem klammen, trocknenden Anzug und forderte ihr Herz auf, stillzustehen. Wie von einem Delphin wollte sie sich vom Körper ihres Liebsten in das unterseeische Reich des Todes tragen lassen. Sie wußte, was ein Mann in dem Augenblick fühlt, wenn er zu ficken beginnt, wenn sich seine Seele streckt, um in ein wollüstiges Dunkel einzudringen.
    Doch die aufgehende Sonne färbte ihre geschlossenen Augenlider mit immer intensiverem Rot, und die chemischen Substanzen in ihrem Körper gingen weiter ihre unergründlichen Verbindungen ein, und die Menge begann sich zu langweilen. Heute war kein Tag für Wunder. Die Augen noch geschlossen, hörte Isabel, wie die Menschen ihre Gespräche wieder aufnahmen und sich zerstreuten. Wie ein böser Clown drang das vorlaute Blöken eines Notarztwagens durch das menschliche Gemurmel, kam aus der Ferne immer näher, um das Stück Abfall abzuholen, zu dem Tristão geworden war. Der Geist ist

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