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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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andere belanglos? Ist es nicht eine Bagatelle, ob du da nach Colmar kommst oder nicht? Ist es nicht ohne jede Bedeutung, ob wir die Sachen für die Wohnung in Norwegen oder bei einem Ausverkauf in Frankfurt kaufen?“
    Ach, er hatte nichts von allem begriffen!
    Ich holte tief Atem:
    „Richtig, es sind Bagatellen. Und hätte ich dir dadurch etwas Gutes antun können, daß ich die Reise nach Colmar aufgab - ich bitte dich, mit Freuden hätte ich sie geopfert, mit tausend Freuden. Ich rede doch nicht von Colmar, Asbjörn. Sondern es handelt sich darum, daß du nicht das Verlangen verspürst, mir eine Freude zu bereiten. Es macht dir nichts aus, mich zu enttäuschen. Du selber merkst nicht einmal, daß du es tust. Du gehst deinen abgesteckten Weg durch das Dasein, machst deine Filme, denkst an deine Arbeit und konzentrierst dich auf sie - und außerdem bist du auch in mich verliebt, und es ist für dich sehr nett, mich mit in dein Dasein und in deine Arbeit einzubauen - , aber wehe, wenn ich mir etwas wünsche, das auch nur eine Spur abseits von deinem abgesteckten Weg liegt! Da kennst du nichts anderes, als sofort nein zu sagen und mich auf den Weg zurückzuholen, den du bestimmt hast.“
    „Und du bist es nicht gewöhnt, daß dir jemand nein sagt“, entgegnete Asbjörn.
    „Nein, das bin ich nicht gewöhnt! Und ich bin es auch nicht gewöhnt, selber nein zu sagen! Mein Lebensweg ist keine schnurgerade abgesteckte Linie! Da gibt es tausend kleine Seitenwege.“
    „Und so huschst du in diese kleinen Nebenwege hinein, um einen Rock für Marietta zu nähen - oder Proviant für mich zuzubereiten -oder Tonys Mutter bei einem Kleid zu helfen - oder um fünf Uhr morgens mein Skriptgirl zu sein - ja, das ist mir klar. Mir ist vieles klar von dem, was du da sagst, Bernadette; aber ich muß darüber nachdenken, ich muß es ganz einfach erst einmal verdauen. Etwas in mir sagt, daß irgendwo etwas nicht stimmt. Ein Mensch sollte doch solche kleinen Enttäuschungen ertragen können, ohne sich davon gleich so niederdrücken zu lassen - ohne seinen Lebensüberschuß gleich einzubüßen. Das hast du niemals gelernt, Bernadette. Du hast es gelernt, Freuden zu empfangen und Freuden zu geben, das gewiß
    - aber du mußt es lernen, auch Enttäuschungen hinzunehmen!“
    Ich zuckte die Achseln. Er verstand mich also nicht. Plötzlich bemerkte ich, daß die Sonne nicht mehr schien. Ich fröstelte.
    „Wir müssen uns beeilen, Asbjörn, wenn wir die Bahn hinunter noch erreichen wollen. Und ich bin keineswegs dazu aufgelegt, den ganzen Weg nach Hause zu Fuß zu gehen!“
    So machten wir uns rasch auf den Heimweg und beeilten uns. Bald hörte ich das gleichmäßige Surren von der Bahn her. Sie war also noch in Betrieb.
    Aber in der Tür zur Station begegneten wir Carlo, der gerade heraustrat.
    „Ach, lieber Carlo, ist denn schon Schluß - kannst du nicht noch eine einzige Kabine hinunterschicken - wir sind so müde! Und die Maschinen laufen doch noch!“
    „Ja, Nummer drei ist noch unterwegs. Ein müder Mensch darf wohl heute überhaupt nicht mehr ins Bett - nun ja, weil du es bist! Sieh mal, da kommt noch jemand. “
    Eine junge Mutter eilte mit einem kleinen mürrischen Jungen herbei, und da kam auch ein älterer Mann am Stock.
    „Was haben wir für ein Glück - wir hatten solche Angst, die letzte Kabine sei bereits abgefahren.“
    „Das ist sie auch“, murmelte Carlo ein wenig verdrossen. „Und nun hinein mit euch und gute Fahrt! Jetzt geh ich mich hinlegen.“
    „Vergiß nur nicht, unten anzurufen, daß wir noch kommen“, rief ich ihm zu.
    Carlo lächelte und winkte, wandte sich um und ging zum Telefon. Dann hatte die Kabine das Stationsgebäude verlassen, und ich verlor ihn aus den Augen.
    „Wir hatten die Zeit völlig vergessen“, erklärte die junge Mutter. „Der Kleine wollte unbedingt Enzian pflücken - dann wurde er durstig und wollte Brause haben - armer Kerl, nun friert er auch noch.“
    Kein Zweifel, daß der Junge fror. Er trug Wadenstrümpfe und Sandalen, und seine Knie waren blaugefroren. Wenn es nämlich bei uns gegen Abend kalt wird, ist es gleich hundekalt.
    Der ältere Mann fror ebenfalls.
    Ja, er hatte am frühen Nachmittag die Bahn nach oben genommen, das Wetter hatte ihn verlockt, es war so schön gewesen -aber vielleicht hätte er es doch nicht tun sollen. Er litt an Asthma und hatte ein schwaches Herz. Jedoch hatte er geglaubt, wenn er die Bahn hinauf und hinunter nähme, dann. aber dann hatte er einen

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