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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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es aus dem Besenschrank hervorholte, und es ist mir eine peinliche Erinnerung, daß ich nicht wußte, wo das Staubtuch war. Aber nun plantschte es in Eimern und sauste in den Wasserröhren, es wurde gefegt und geschrubbt und geputzt, daß es eine wahre Freude war.
    Ich sang und trällerte den ganzen Tag, ich bemühte mich sogar, andere Speisen zu erfinden als Kartoffelklöße und Kraftsuppe und die ewigen Hammelzungen. Ich hatte Omis Kochbuch als Bettlektüre. Inkens Jungmädchenbuch lag versteckt und vergessen unter dem Kochbuch und den beiden Briefen von Ellen.
    Die Tage flogen dahin, und ehe wir es uns versahen, stand Vati und packte seine Sachen und sein Malzeug ein.
    „Es gefällt mir nicht so recht“, sagte Vati.
    Was ihm nicht so recht gefiel, war, daß sein eigener Zug vom Gare de l’Est eine Stunde früher abging, als Ellens Zug am Gare du Nord ankommen sollte. Er hätte am liebsten mit eigenen Augen gesehen, daß sie gut ankam, ehe er mich verließ. Aber das ließ sich nun nicht ändern. Die Zugverbindung nach der kleinen südfranzösischen Stadt war nicht so häufig, und am achtundzwanzigsten März mußten er und Latour zu einer wichtigen Besprechung dort sein.
    „Du bist ein drolliger Pinsel, Paps“, sagte ich, „wenn ich allein mit der Metro von Notre-Dame nach St-Lazare fahre, bist du nicht im geringsten ängstlich. Und mit der Metro von einem Bahnhof zum anderen zu fahren ist doch wirklich nicht schwieriger.“
    Vati seufzte.
    „Es hätte mir besser gefallen, wenn ich Ellen mit eigenen Augen gesehen hätte, ehe ich abreise“, sagte Vater. „Aber eines sage ich dir, Britta, bei der geringsten Schwierigkeit irgendeiner Art telegrafierst du mir, verstehst du?“
    „Ich verstehe.“
    „Und jetzt hast du Geld für die ersten vierzehn Tage. Ich schicke dir rechtzeitig mehr, damit du nicht verhungerst.“
    „Du weißt, zur Not kann ich Katzenkonserven essen“, sagte ich. „Hallo, Rajah, geh weg, willst du vielleicht mit Vati reisen?“ Ich hob Rajah vom Koffer, wo er sich Vatis frisch gebügelte Hemden als Lager ausgesucht hatte.
    Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um fünf Uhr. Ich sprang auf und traf die letzten Vorbereitungen, holte das feine Service von Frau Aubel hervor und schmückte den Tisch mit Blumen, die ich am Abend gekauft hatte. Es sah wirklich hübsch und einladend aus.
    Während Vati ins Bad ging, zog ich schnell sein Bettzeug ab und legte neues für Ellen auf.
    Dann zogen Vati und ich mit seinem ganzen Gepäck den bekannten Weg zum Bahnhof. Von St-Lazare nahmen wir ein Taxi zum Gare de l’Est. Ich bemerkte, wieviel tüchtiger Vati mit seinem Französisch geworden war. Natürlich mußte er hie und da nach Worten suchen, aber im großen und ganzen ging es ausgezeichnet, und er schien wirklich zu verstehen, was der Taxifahrer sagte. Ach, wenn ich nur ein Zehntel so tüchtig gewesen wäre! Für mich hörte sich Französisch nach wie vor wie Mesopotamisch an, und ich verstand nie, was die Verkäuferinnen sagten, wenn ich mit Hilfe von fünf oder sechs Wörtern und eifriger Fingersprache Brot oder Obst oder Hammelzungen kaufte. Ich weiß nur, daß ich jedem Satz „Mademoiselle“ anhängte, und ich hatte auch gelernt, daß man niemals „Madame“ oder „Monsieur“ vergessen durfte, selbst wenn man nur guten Tag sagte.
    Architekt Latour erwartete uns schon am Eingang des Bahnhofs. Obwohl ich Vati diese Reise und diesen großartigen Auftrag von Herzen gönnte, und obwohl ich wußte, daß Ellen in einer Stunde hier sein würde, kam ich mir doch ein bißchen klein und häßlich vor, als der Zug aus dem Bahnhof rollte und Vatis winkendes Taschentuch kleiner und kleiner wurde.
    „Kopf hoch, Britta!“ sagte ich zu mir selbst. „Kopf hoch und jetzt zum Gare du Nord!“
    Aber ich fühlte mich einsam, wirklich einsam. Ich wußte: wenn mir während der nächsten Stunde etwas zustieß, gab es in ganz Paris keinen Menschen, an den ich mich hätte wenden können.
    Wie freute ich mich auf Ellen, auf die reizende, liebe Ellen. Praktisch, energisch und rasch ist sie, jemand, dem man sich ganz überlassen kann, jemand, der einen aufmuntert und alles in Ordnung bringt - genau der Mensch, den ich brauchte.
    Ich saß in der Metro und schaute auf die Uhr. Jetzt waren es nur noch vierzig Minuten, bis sie ankommen sollte.
    Ein bißchen später waren es nur noch zwanzig Minuten, dann war ich am Gare du Nord und erinnerte mich so deutlich des Tages, an dem wir ankamen. So ganz anders sah er aus,

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