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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Teile gespalten zu sein. Der eine Teil sehnte sich nach Vati, sehnte sich unbeschreiblich, war einsam und hilflos, der andere Teil führte mir die Hand und ließ mich folgendes schreiben:
    „Ellen Blich, Stadtkrankenhaus Esbjerg, Du Arme. Gute Besserung, ich schreibe heute, erzähle niemand von Deiner Krankheit, nähere Erklärung im Brief. Mir geht es gut. Herzlichst
    Britta.“
    Ich stand da und malte jedes Wort in Druckbuchstaben; die schreibende Hälfte von mir war so unendlich vernünftig. Denke daran, daß es eine fremde Sprache ist, sagte sie, denk an den französischen Beamten, der dies Telegramm wegschicken soll, schreibe deutlich, Britta.
    Ich gab das Telegramm ab, sammelte meine beiden Hälften und ging.
    Kauf Essen ein, sagte die vernünftige Hälfte. Du hast kein frisches Brot. Geh in das kleine Geschäft bei der Station, da haben sie Schwarzbrot, und du kannst ordentliche Scheiben schneiden, dann brauchst du kein Mittagessen zu kochen. Ich tat alles, was die Vernunft sagte.
    Schreibe gleichzeitig an Ellen, sagte die Vernunft weiter. Wartest du, so änderst du nur deinen Entschluß. Also rasch in den Kiosk, der
    Postkarten hatte. Was hieß das nur? Was stand immer auf den Karten - ach ja, jetzt wußte ich es.
    Carte Postale. Ich bekam die Karte, setzte mich auf eine Bank bei der Station und schrieb.
    „Liebste Ellen,
    es tut mir schrecklich leid, ich hoffe innigst, daß Du bald gesund bist und kommen kannst. Ich werde schon mit allem fertig werden. Ehrenwort, daß ich sehr vorsichtig bin und keine Dummheiten mache. Vati muß Ruhe für seine Arbeit haben, er darf nicht erfahren, daß ich allein bin. Und Du darfst um alles in der Welt kein Wort an Omi schreiben oder an Tante Birgit. Sie müssen glauben, daß Du bei mir bist. Schreib, sobald Du kannst.
    Wirklich, Ellen, Du brauchst Dich nicht um mich zu sorgen. Ich bin sehr vorsichtig, ich schreibe jetzt gleich einen Zettel, den ich in meine Tasche lege, einen Zettel mit Vatis Namen und seiner neuen Adresse, im Fall, daß irgend was mit mir passieren sollte. Gute Besserung, liebe Ellen. Es ist wirklich wahr, daß ich fertig werde. Sei nicht in Sorge um Deine
    Britta.“
    Als die Karte in den Postkasten fiel, empfand ich etwas wie eine Befreiung. Die Würfel waren gefallen. Ich war sechzehn Jahre alt und kannte vielleicht hundert Worte von der Sprache des Landes, in dem ich jetzt für unbestimmte Zeit allein war.
    Beinahe wäre der Kloß im Hals wiedergekommen, jetzt war ich tatsächlich über mich selbst gerührt. Ich war doch unbeschreiblich lieb, daß ich dies alles für Vatis Kunst tat! Einmalig lieb war ich!
    Noch stand ich vor dem Postkasten. Die Vernunft verschwand immer mehr, und der Kloß wuchs und wuchs.
    Als ich mich auf den Heimweg machte, hatte ich eine waschechte Märtyrerstimmung aufgearbeitet. Allerdings vergaß ich sie einen Augenblick, als ich zum Fischgeschäft kam. Ich mußte ja für die Katzen einkaufen. Ja, und dann war es Brot - und als alles erledigt war, konnte ich mich wieder auf mein Martyrium und meinen eigenen einzigartigen Opferwillen konzentrieren.
    Oh, war ich doch ein guter Mensch!
    Der Gedanke an meine eigene Prächtigkeit war so rührend, daß ich beinahe weinen mußte, aber gleichzeitig so erhebend, daß er die Tränen wegwischte, bevor sie richtig ins Rollen kamen.
    In dieser wehmütigerhobenen Stimmung kam ich nach Hause und setzte den Katzenfisch auf das Gas.

In den Tuilerien
    Hinterher kann man leicht über alles lachen, aber als ich damals so mutterseelenallein im Haus saß, war das wirklich schrecklich. Ich war vorher niemals allein gewesen. Immer hatte ich jemanden, den ich um Rat oder Hilfe fragen konnte, immer jemanden, der mich betreute, jemanden, mit dem ich meine Sorgen und Freuden teilen konnte.
    Ich saß in der Stube und blickte stumpfsinnig auf den gedeckten Tisch. Auf dem einen Platz lagen Brotkrumen, die Reste einer hastigen Brot- und Buttermahlzeit. Die eine Kaffeetasse war gebraucht, auf dem Tischtuch war Kaffee verschüttet. In der Küche stand unaufgewaschen der Topf mit dem Katzenessen; ich hatte nicht das geringste an Hausarbeit getan. Weshalb auch? Ich hatte ja niemanden, für den ich es tun mußte. Es war also völlig gleichgültig, ob aufgeräumt wurde.
    Die Katzen bekamen regelmäßig zu essen und zu trinken, ihre Näpfchen wurden ausgewaschen. An diesem ersten Tag und den folgenden Tagen.
    Das war aber auch alles.
    Die Katzen - ja, jetzt segnete ich sie. Ohne sie wäre ich vor Einsamkeit

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