Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
ich lächelten einander zu. Sie sprachen dänisch, und sie sprachen so laut und ungeniert, als gäbe es in ganz Paris niemanden, der Dänisch verstünde.
Ich trank zum erstenmal in meinem Leben Wein; Vati hatte mir versichert, daß es der leichteste und ungefährlichste Wein auf der ganzen Weinkarte sei. Es war ein herrlicher Abend, und es war unsagbar schön, erwachsen zu sein, und abends mit meinem charmanten und flotten Paps als Kavalier auszugehen.
Am folgenden Tag gingen wir auf den Flohmarkt. Es war märchenhaft!
Das einzige, was wir dort nicht sahen, waren Flöhe! Sonst gab es alles Denkbare, und ganz besonders Undenkbare. Ich hatte meine liebe Not, um meinen leichtsinnigen Vater im Zaume zu halten. Ich habe es ihm ausgeredet, als er einen antiken Wandspiegel, eine handgemalte Teekanne (Kostenpunkt 120 Francs!) und einen mexikanischen Ledergürtel kaufen wollte. Aber als es um eine uralte Spieldose und einen verbeulten Kupferkessel ging, ließ er nicht locker.
Ja, was gab es dort alles zu kaufen! Selbst wühlte ich in Kisten voll Einzelknöpfe und schrie laut vor Freude, als ich grade den Knopf fand, den ich so dringend für meine neue Jacke brauchte. Omi hatte mir einen Satz alter Zinnknöpfe geschenkt, und ich hatte einen verloren.
Ich hätte kaum gewagt, Omi ohne das kostbare Stück unter die Augen zu treten - aber siehe da, der Flohmarkt war die Rettung!
Wir aßen in einem winzig kleinen, halbdunklen Lokal auf dem Flohmarkt. Für die Sauberkeit hinter den Kulissen garantiere ich nicht, aber da war eine dicke, gemütliche Wirtin, die anscheinend alle Sprachen verstand und die zu unserem Tisch kam und sich mit uns unterhielt. Und das Essen war herrlich, wie immer in Frankreich.
Dann fuhren wir mit dem Bus nach St-Lazare, und mein unternehmungslustiger Vater faßte meine Hand und führte mich zielbewußt Richtung „Au Printemps“ - in das wunderbare, riesengroße Kaufhaus.
„Ich brauchte Rasiercreme“, war seine fadenscheinige Begründung.
Also mußten wir die Parfümerie-Abteilung aufsuchen. Dort gingen mir die Augen über! Das ganze Erdgeschoß war in kleine Abteilungen aufgeteilt, und jede Abteilung trug einen anderen Namen: Elizabeth Arden - Houbigant - Helen Curtis - Desmoineaux - Rubinstein - all die Namen, die durch weibliche Eitelkeit bekannt geworden sind. Und dieser Duft! Er war einfach berauschend!
Vatis Rasiercreme war nur der Anfang. „Wir kriegen doch 20 Prozent Rabatt, wir müssen die Gelegenheit wahrnehmen“, sagte mein unmöglicher Vater. Er holte sich einen Reisescheckkupon, und dann ging es los. Vati kaufte sich einen Koffer für die Reise, und schenkte mir ein paar hochelegante Handschuhe und ein Paar Schuhe, über deren Pfennigabsätze er allerdings den Kopf schüttelte.
„Denkst du vielleicht, daß es dein alleiniges Vorrecht ist, leichtsinnig zu sein?“ fragte ich.
„Es ist mein Vorrecht, meine Tochter übers Knie zu legen, merk dir das“, sagte Vati, und gab seinen Kupon ab, damit die Schuhe unter den Einkäufen eingetragen wurden.
Oh, was hatten wir für einen schönen Tag!
Wenn ich geahnt hätte, wie lange ich von den Erinnerungen an diesen Tag zehren sollte!
Die vernünftige Hälfte
„Onkel Benno, Du bist ein Engel“, begann der nächste Brief von Ellen. „Zu denken, daß Ihr mich wirklich braucht! Und ob ich mich Brittas annehmen will, ob ich ihr Paris zeigen will! Ich freue mich so sehr, daß ich nachts kaum schlafen kann. Meine Ferien sollten eigentlich erst am ersten April beginnen, aber ich habe mit Fleiß und List und Genialität meinen Chef dazu gebracht, mich schon am 27. März verduften zu lassen. Also kann ich am achtundzwanzigsten März morgens in Paris sein. Ich werde es wohl eben noch schaffen, Dir rasch Grüß Gott zu sagen, ehe Du zu Deiner südfranzösischen Kirchenkunst abdampfst. Aber ich irre mich wohl nicht, wenn ich annehme, daß Britta auf dem Bahnhof sein wird?“
Nein, darin irrte sich Ellen nicht. Nun war die Reihe an mir, mich zu freuen, daß ich nachts kaum schlafen konnte. Tagsüber hatte ich keine Zeit mehr, mit Vati nach Paris zu fahren, denn jetzt sollte das Haus vor Sauberkeit blitzen. Ein ganzes Haus, auch wenn es noch so klein ist, zum Blitzen zu bringen, ist keine leichte Arbeit, wenn man es fast drei Wochen vernachlässigt hat.
Ich erröte noch, wenn ich daran denke, wie wenig ich in der Zeit Staub gewischt und den Boden gesäubert hatte. Ich erinnere mich deutlich, wie steif und trocken das Scheuertuch war, als ich
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