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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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umgekommen.
    Ich hatte lange gesessen und nur vor mich hingestarrt, allein und unglücklich. Allmählich trafen meine Augen die von Bajadere. Sie saß auf dem Sofa in erhabener Ruhe, wie nur eine Katze sitzen kann. Ihre Augen waren auf mich gerichtet. Diese einmalig schönen, dunkelblauen Siamesenaugen, mit dem fernen, unergründlichen Blick. Diese unsagbare Ruhe, dieses merkwürdige Gleichgewicht eines solchen Katzenblickes.
    „Bajadere“, flüsterte ich.
    Sie blinzelte, dann kam ein freundliches, kleines Miauen, das merkwürdige, heisere Miauen der Siamesen; elegant und lautlos glitt sie auf ihren Samtpfötchen das Sofa entlang und kam mit einem federleichten Sprung auf meinen Schoß. Wie schön ist so ein Tier! Darüber hatte ich früher nie nachgedacht. Jetzt aber sah ich es: das Spiel der Muskeln unter dem dünnen feinen Fell, die sicheren und leichten und eleganten Bewegungen.
    Plötzlich erinnerte ich mich an ein Zitat in einem Tierschutzkalender, den Inken mir einmal zu Weihnachten geschenkt hatte. Unter dem Bild einer Katze stand ein Zitat von dem Dichter Johannes V. Jensen: „In den echten Katzen hat die Natur eine so vollendete Form geschaffen, daß sie nicht weiter damit hat machen können, außer dem Vergrößern; von der Hauskatze über die Wildkatze und den Leoparden führt der Weg unverändert bis zum Königstiger.“
    Ja - so saß ich an meinem ersten einsamen Abend und philosophierte über die Schönheit der Katzen, und war mir durchaus nicht bewußt, daß ich zum allerersten Mal in meinem Leben einen Abend damit verbrachte, überhaupt über etwas nachzudenken.
    Am nächsten Tag fuhr ich ohne Ziel und ohne Zweck nach Paris. Ich lief in der Sonne die Straßen entlang, sah in die Schaufenster und ließ mich treiben. An der Ecke duftete es herrlich nach Schmalzgebackenem. Ich blieb stehen. Hinter einem kleinen Tisch wirtschaftete eine dicke Frau auf zwei Kochplatten mit Teig, Zucker und Marmelade. Sie buk auf Bestellung hauchdünne Eierkuchen und echte Berliner Pfannkuchen.
    Ja, da war etwas anderes als die Stände mit Austern und anderem seltenen Seegetier. Vater konnte stehenden Fußes fünf bis sechs Austern schlürfen. Mir jedoch gefielen Eierkuchen und Berliner besser.
    Ich stand auf dem Gehsteig und verspeiste einen warmen Eierkuchen mit Marmelade. Er kostete sechzig Centimes, das schien mir ein billiger Lunch. Ich kaufte einen Beutel voll Berliner; damit war das Essenproblem für diesen Tag gelöst. Außerdem hatte ich beim Einkauf mit einem Menschen gesprochen, ich hatte meine eigene Stimme gehört, allerdings stotternd und sicherlich sehr unkorrekt, aber ich hatte doch Worte mit jemandem gewechselt und ein Lächeln von einem Menschen bekommen.
    Es war früh am Tage. Was sollte ich bloß mit der Zeit anfangen? Gewiß, in Paris gab es eine Menge zu sehen, und ich fand mich schon ganz gut zurecht. Aber so allein? War es nicht witzlos, in eine Kirche zu gehen oder ein Museum zu besuchen, wenn man nicht einen anderen Menschen hatte, mit dem man sich darüber freuen konnte?
    So schlenderte ich weiter, die Straßen entlang, bis ich müde wurde. Ich setzte mich einen Augenblick auf eine Bank; dann nahm ich mir vor, zur nächsten Metrostation zu gehen, mich in den ersten besten Zug zu setzen und zu schauen, wo er mich hinführte.
    Ich zwang mich selber, nicht nach den Stationsnamen zu schauen. Jetzt bleibe ich sitzen, bis eine rothaarige Dame zusteigt, dachte ich. Das bedeutet, daß ich an der nächsten Haltestelle aussteigen soll, dann werden wir mal sehen, wo ich bin!
    Ich schaute auf alle Damen, die hereinkamm. Da war ein rothaariges Kind, nein, das galt nicht, es sollte eine rothaarige Dame sein.
    Da kam eine! Mit einer haushoch toupierten leuchtend roten Frisur.
    So stieg ich an der nächsten Haltestelle aus, ging mit gebeugtem Kopf, damit ich den Stationsnamen nicht lesen konnte. Ich ging mit dem Menschenstrom nach oben. Als ich durch die Sperre war, hob ich voller Spannung den Blick.
    Ich befand mich auf der Eisenbahnstation St-Lazare!
    Zehn Minuten später saß ich in dem mir wohlbekannten Zug nach Colombes.
    Die Blumen waren verwelkt, die Blumen auf dem gedeckten Tisch. Ich legte die Berliner auf den Teller, der vor Ellens Platz stand, ich wärmte Büchsenmilch und machte mir einen Kakao. Nun lagen Krümel auf beiden Seiten des Tisches und beide Tassen waren benutzt.
    Ich gebrauchte nicht viel Geschirr, aber wenn man nie abwäscht, türmt es sich am Ende doch in der Küche. Wenn man nie

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