Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
denen ich es vermied, ich oder wir zu sagen, und die meisten Sätze mit „es ist“ begannen. Schrieb ich doch mal „wir“, so machte ich es so, daß ich es verantworten konnte, daß es die Katzen und ich bedeuten könnte.
Inzwischen war es elf Uhr geworden. Keine Rede von Abwaschen und Aufräumen. ich mußte mich rasch anziehen und in die Tuilerien fahren.
Diesmal zog ich lange Hosen an, eine warme langärmelige Bluse und einen dicken, hochgeschlossenen Wollpullover, und tat ein Wolltuch um den Hals. Jetzt konnte niemand behaupten, daß ich nicht warm genug angezogen sei. Außerdem: wenn ich hoffentlich wieder die Esel mit den kleinen Kindern führen durfte, waren lange Hosen und Pullover am praktischsten.
Ich folgte Ellens Rat und steckte nur ein paar Francs in die Tasche. Im Brustbeutel hatte ich ja mehr, und diesen Beutel trug ich immer bei mir. Darin lagen auch die Reserveschlüssel zur Haustür. Denn ich hatte eine panische Angst, mich einmal selbst auszuschließen.
Den Kuchen, den ich für Ellens Ankunft gebacken hatte, packte ich ein. Zum Glück war es ein Sandkuchen nach Omis wohlerprobtem Rezept, ein Kuchen, der nur besser wird, wenn er ein paar Tage liegt.
Sicherheitshalber zwei Taschentücher - nachsehen, ob das Gas abgedreht und die elektrischen Stecker ausgezogen waren - kein Zweifel, daß ich ungeheuer vernünftig war, obwohl ich Vatis Tochter bin.
Vielleicht lag es daran, daß ich auch Muttis Tochter bin. Gar nicht davon zu reden, daß ich Omis Enkelin bin!
Bei Pierre stand eine Schlange von kleinen Kunden. Er kam gerade mit einem vollen Wagen zurück. „Guten Morgen, Pierre, brauchst du Hilfe?“
„Morgen, Britta, ja ich brauchte sie schon, aber - “
„Kein Aber. Ich habe mich so gefreut, dir zu helfen.“
„Dann bin ich natürlich sehr dankbar, du siehst ja, wie es heute zugeht.“
Zwei kleine Mädchen wollten reiten. Eine wurde auf meinen Freund, die kleine hellgraue Eselin Bijou, gesetzt.
Wir gingen Seite an Seite, ich mit Bijou, und Pierre mit einem großen dunkelgrauen Esel.
„Was macht deine Erkältung?“ fragte Pierre.
„Ach, besser! Es waren feine Tabletten, die du mir aufgeschrieben hast.“
Plötzlich wurde ich rot.
„Ach, entschuldige, ich hatte nicht vor, dir du zu sagen. Nur zu Hause, bei uns auf der Insel - “
Pierre lacht. „Ich finde das riesig gemütlich, Britta. In Deutschland haben wir Studenten uns auch schnell geduzt. Wie alt bist du übrigens?“
„Sechzehn, bald siebzehn“, sagte ich mit einer sehr großzügigen Behandlung der Wahrheit.
„Und ich bin zwanzig. Da können wir uns doch gut duzen.“ „Warst du lange in Deutschland?“ fragte ich.
„Ein Jahr. Es kam durch einen Zufall. Ich lernte voriges Jahr hier einen jungen Deutschen kennen. Er wollte so gern in Frankreich studieren, und ich hatte Lust, nach Deutschland zu gehen. Er wohnte dann bei meiner Mutter und ich bei seinen Eltern.“
„Wo war das?“
„In Darmstadt. - Aber jetzt weiß ich nicht, was wird, denn jetzt ist er wieder in Deutschland, und ich gehe hier und führe Esel.“
„Ja, du wirst doch wohl weiter studieren. Bist du Mediziner?“ „Nein, weit entfernt. Wie kommst du darauf?“
„Ich dachte bloß, weil du mir gestern die Tabletten aufgeschrieben hast.“
Pierre lachte. „Ach, so! Das waren ganz gewöhnliche Erkältungstabletten, die man ohne Rezept bekommt. Ich schrieb dir lediglich den Namen auf, damit du ihn nicht vergaßest. Nein, ich habe auf der Technischen Hochschule studiert. Ich wollte eigentlich Ingenieur werden.“
„Und willst du das nicht mehr?“
„Nein, am allerliebsten würde ich Pilot werden, wenn ich dazu genügend Geld zusammenkratzen kann, und wenn ich in der Verkehrsfliegerschule in Bremen aufgenommen werde.“
Da tat mein Herz einen Sprung.
„Bremen? Bremen? Willst du nach Bremen?“
„Ja, wenn es sich auf irgendeine Weise machen läßt. So, da sind wir! Die Kinder haben im voraus bezahlt, Britta. Denk übrigens daran: Kinder, die ohne Eltern oder Kindermädchen kommen, müssen vorausbezahlen, sonst riskieren wir, daß sie plötzlich wie vom Erdboden verschwunden sind.“
Die beiden neuen Reiter warteten schon! Wir machten dieselbe Tour und plauderten weiter. Ich fragte, warum er durchaus nach Deutschland wollte, um Pilot zu werden; das müßte doch in Frankreich auch möglich sein.
„Selbstverständlich“, antwortete Pierre. „Aber ich habe verschiedene Gründe. Erstens fühle ich mich in Deutschland wohl, zweitens hat
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