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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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so phantastisch gut geschildert, daß es mir fast den Atem verschlug. Das mußte Edda Callies selbst erlebt haben! Es war so richtig, so lebenswahr, als ob ich selbst all das niedergeschrieben hätte, was ich in den letzten Tagen empfunden hatte. So konnte niemand schreiben, der es nicht erlebt hatte. Bestimmt war auch Edda Callies in einem fremden Land mutterseelenallein gewesen.
    Was hatte Inken geschrieben? Ich kroch aus dem Bett und wühlte in der Kommodenschublade, wo sich alle meine Briefe befanden. Liebe Zeit, war es da unordentlich! Aber da. Inkens Schrift.
    „Ich war so toll begeistert, daß ich an Edda Callies schrieb, und was sagst Du, ich bekam Antwort. Ich wette, daß sie höchstens fünfundzwanzig Jahre alt ist - “
    Wenn Inken an Edda Callies schreiben konnte, dann konnte ich es auch, und ich mußte es einfach! Ein Mensch, der meine Gedanken, meine Gefühle und meine Verzweiflung so zu Papier bringen konnte, diesem Menschen mußte ich einfach schreiben.
    Ich vergaß den Haushalt, die Kälte, die Erkältung, ich vergaß, daß ich eigentlich etwas essen wollte, ich schob das unaufgeräumte Geschirr zur Seite, legte das Briefpapier zurecht und begann zu schreiben.
    Hätte ich mich nicht so fürchterlich einsam gefühlt, hätte ich vielleicht nicht so ausführlich geschrieben, wie ich es tat. Aber es war eine herrliche Erleichterung, alles zu Papier zu bringen und sich einem Menschen anzuvertrauen, von dem man wußte, er würde verstehen. Es war nicht die vernünftige Hälfte von mir, die schrieb, es war die einsame, rotnasige und hilflose kleine Britta Dieters, es war der dumme Teenager, der nicht ein einziges brennendes Interesse auf der Welt hatte, das von Vater und Großmutter verwöhnte kleine Mädchen, das zu nichts in der Welt taugte, als auf ein paar siamesische Katzen aufzupassen.
    Es wurde ein ganz langer Brief, und ich mußte zum Schluß eine Entschuldigung schreiben. „Aber ich glaube, daß Sie mich verstehen“, schrieb ich zum Schluß, „denn ich sitze hier wie eine lebendige Ausgabe der Heldin in Ihrem Buch, und ich habe genau das durchgemacht, was sie durchgemacht hat. Tausend Dank, daß Sie dieses Buch geschrieben haben. Es gab mir plötzlich das Gefühl, daß es einen Menschen auf der Welt gibt, der mich versteht und dem ich sogar zu schreiben wage.“
    Und dann schrieb ich den Namen und meine Adresse, schlüpfte in meinen Regenmantel und lief mit meinem Brief zum Briefkasten.
    Die frische Luft hatte mir gutgetan. Nun wollte ich aufräumen. Inzwischen war es draußen dunkel geworden. Ach, ich mußte ja den Abfalleimer herausbringen; er war übervoll, und morgen kam die Müllabfuhr.
    Ich drückte den Deckel auf und trug den Eimer hinaus. Da huschte ein Schatten an mir vorbei durch die Tür und verschwand in großen Sprüngen in der Dunkelheit.
    O Gott, Rajah! Rajah war entwischt!
    Ich lief hinter ihm her. Ich lief und lockte - dann sah ich ihn im Licht einer Straßenlaterne. Schlank und elegant sprang er auf den Zaun um die große Fabrik und verschwand nach der anderen Seite.
    O Schreck! Was sollte ich bloß tun? Sollte Rajah etwas zustoßen, konnte ich Frau Aubel nie mehr unter die Augen treten.
    Ich hatte ihr doch hoch und heilig versprochen, wie ein Schießhund aufzupassen.
    Ich lief zur Pforte und rüttelte daran. Natürlich war sie verschlossen. Ich lockte mit der Stimme, auf die Rajah immer antwortete.
    „Rajah, Rajah, komm, komm, mein Putzilein - .“
    Aber er kam nicht. Ich stand im Regen in meiner dünnen Bluse. Es war eiskalt und regnete unaufhörlich. Doch das spielte keine Rolle, wenn ich nur Rajah zurückbekam!
    Ob ich über die Pforte klettern könnte? Im Klettern bin ich groß; lange Hosen hatte ich auch an. Ich versuchte es, zog mich in die Höhe und stieg hinauf.
    Da wurde ein Lichtkegel auf mich gerichtet, eine barsche Stimme rief aus der Dunkelheit: „Was machen Sie da, Mademoiselle?“ Es war der Nachtwächter. Ich hatte ihn ab und zu in der Frühe gesehen, wir hatten einander sogar zugenickt, wenn er von seiner Arbeit wegging und ich nach dem Frühstücksbrot lief.
    „Oh, Monsieur, je - j’ai perdu mon chat - voulez-vous m’aider -il est dans la fabrique - “
    Der Nachtwächter lächelte, er erkannte mich. Er öffnete die Tür. „Haben Sie gesehen, ob er hier hineinsprang?“
    „Ja, ganz sicher, er muß hier sein, ach, Monsieur, ich muß ihn wiederhaben. Er gehört mir nicht, ich habe nur auf ihn aufzupassen -
    — Da, ach schauen Sie, da. glaube ich. da!

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