Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
sie vorher geschrieben, so daß ich den schlimmsten Staub wegwischen und ein bißchen Ordnung machen konnte, bevor sie kam. Sie mußte ins Krankenhaus und hatte niemanden, der ihrer alten Mutter helfen konnte. Für eine gelernte Pflegerin hatte sie kein Geld. Für eine Hausgehilfin auch nicht. Im übrigen war es schon damals schwer, jemanden für den Haushalt zu bekommen. So war sie auf mich gekommen. Sie wußte, daß ich allein war. Nun, um es kurz zu machen: Ich zog zu ihrer Mutter, und da geschah das Merkwürdige: Ich, der größte Schussel auf der Welt, wurde plötzlich arbeitsam und vernünftig und ordentlich. Von dem Augenblick an, in dem ein Mensch mich brauchte, entwickelte sich das Gute in mir. Und damit war mein ganzes Problem gelöst. Ich mußte nur dafür sorgen, daß mich immer jemand brauchte!“
„Ist es seither immer so gewesen?“
„Immer. Du fragst, ob ich eigene Kinder hätte. Weißt du, es ist natürlich traurig für eine Frau, keine Kinder zu haben, aber wenn auch keine Kinder da sind, hat man doch Mutterinstinkte, und die werden immer gebraucht. Ich begann meine Jugendbücher zu schreiben. Sie schlugen ein, sie wurden verkauft, ich verdiente gut, und immer war jemand da, den ich mit meinen Krötchen helfen konnte. Nun bin ich achtundvierzig Jahre und bin kein bißchen einsam, obschon ich keine Verwandten habe. Ich habe Freunde und die Kinder meiner Freunde, ich bin Patin bei einer Menge Kinder, ich stricke Kinderjacken und Babykleider während des ganzen Jahres
- ja, stell dir nur vor, jetzt bin ich so alt, daß es immer die Kinder meiner Freunde sind, die Babys bekommen. Und dann schreiben sie: ,Liebe Tante Edda, hast du vielleicht Zeit zum Stricken? Der Kleine braucht unbedingt - ’ ja, und dann kommen sie zu mir, um sich die vielen Rezepte zu holen, die ich auf meinen Reisen gesammelt habe, oder sie bitten mich, am Abend auf das Baby aufzupassen, und weißt du, was am allerschönsten ist? Daß sie Vertrauen zu mir haben und sich mit mir aussprechen. Oft ist es für ein junges Mädchen schwierig, mit der eigenen Mutter zu reden, sie vertraut sich viel leichter einer mütterlichen Freundin an. Oder vielleicht liegt es an meiner Arbeit. Die Mädchen wollen irgendwie nicht wahrhaben, daß ich eine ältere Dame bin, weil ich immer für junge Menschen und über junge Menschen schreibe. Warum lächelst du, Britta?“
„über etwas, das Inken mir geschrieben hat“, sagte ich. Dann erzählte ich, daß sie mir das Buch geschickt und einen Brief von Edda Callies bekommen hatte und sicher war, daß Edda Callies nicht älter als fünfundzwanzig Jahre sein könnte.
„Ja, ja, deine Freundin Inken ist nicht die einzige. Ich erinnere mich übrigens daran. Es war ein junges Mädchen von irgendeiner Nordsee-Insel, die an mich schrieb - jawohl, Inken hieß sie. Diesen Namen kannte ich nur von Gerhart Hauptmann.“
„Bekommen Sie viele solcher Briefe?“
„Haufenweise. Und ich beantworte sie immer. Ich muß es zwar immer kurz machen, sonst käme ich ja nicht mehr zu meiner Arbeit, doch ich beantworte sie.“
„Aber wann schreiben Sie eigentlich Ihre Bücher?“
„Während ich stricke und koche und auf Kinder aufpasse.“ „Was?“
„Ja, wirklich! Dann schreibe ich die Kladde im Kopf. Manchmal plumpst mir eine Idee sozusagen direkt in den Suppentopf. Ab und zu kommen die Konflikte, während ich bei einem komplizierten Strickmuster bin. Hast du zufällig mein Buch ,Sie kann einem leid tun’ gelesen?“
„Ja, ich habe es von Inken geborgt. Es war großartig.“
„Nett, daß du das findest; es ist nämlich ein Buch, das mir selbst Spaß gemacht hat. Die Idee dazu kam mir, als ich einen großen Fußboden scheuerte. Ich stand gerade über dem Eimer gebückt und wrang den Lappen aus, da kam die Idee plötzlich über mich.“
„Und dann ließen Sie den Eimer stehen und begannen zu schreiben?“
„Durchaus nicht! Ich putzte den Boden weiter, ich glaube sogar, ich wusch ihn zweimal, so vertieft war ich in meinen Einfall. Die Idee ist ja nur der Anfang. Später muß sie ausgearbeitet werden, man muß den richtigen Hintergrund finden, die Personen müssen lebendig sein und die Handlung wirklichkeitsnahe, und dann muß es obendrein spannend sein!“
„Ja“, nickte ich. „Sonst liest es ja niemand.“
„Ja, darüber bin ich mir völlig klar, aber die Spannung muß in die Handlung so eingebaut werden, daß das Ganze nicht unwahrscheinlich wird, und das ist eigentlich das schwerste dabei. Und
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