Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
du es aushalten, für ein paar Stunden allein zu sein?“
„Nein, bestimmt nicht“, sagte ich, „bekanntlich bin ich ja nie in meinem Leben auch nur eine Stunde allein gewesen - “
„Kennen wir einander schon so gut, daß du anfängst, frech zu werden, du böses Mädel? Jedenfalls ist es ein Zeichen, daß du dich auf dem Wege der Besserung befindest. Kann ich irgend etwas für dich besorgen?“
„Ja, danke schön, Briefmarken. Und vielleicht - ich weiß ja nicht, in welche Richtung Sie wollen - “
„Neuilly“, sagte sie. „Aber wenn du irgend etwas brauchst - “
Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Es regnete.
„Ach nein, es regnet“, sagte ich. „Nein, danke schön, es ist nichts.“
„Jetzt redest du in Rätseln.“
„Nein, es ist wirklich nichts. Niemand reitet auf Eseln, wenn es regnet.“
Edda Callies sah mich mit großen Augen an, dann fühlte sie meinen Puls, und dabei fiel mir ein, wie verrückt es klingen mußte, was ich sagte.
„Ich habe keine Fieberphantasien“, lachte ich. „Es hatte wirklich etwas mit Eseln zu tun, woran ich dachte. Ich werde es Ihnen erzählen, wenn Sie heimkommen.“
„Ja, ich glaube, das mußt du tun“, sagte Edda Callies und schüttelte den Kopf. Dann lächelte sie, winkte von der Tür aus; dann hörte ich die Haustür zuschlagen.
Zwei Minuten später war ich draußen auf dem Fußboden. Der Doktor hatte bestimmt recht, wenn er meinte, daß ich noch nicht ganz in Ordnung sei; denn jetzt begann der Boden sich so aufzuführen, wie die Nordsee zu Hause. Es bewegte sich in Wellen und Dünungen unter mir.
Ich setzte mich auf die Bettkante und erholte mich etwas, dann versuchte ich es wieder, hielt mich vorsichtig am Tisch und an den Stühlen fest und stapfte in das Wohnzimmer.
Dort war es frisch, rein und staubfrei. Nein, wie gemütlich es hier aussah! Ich ging weiter. Die Küche war aufgeräumt, aller Abwasch weg. Im Bad war der Boden aufgewischt, frische Handtücher waren aufgehängt.
Dann in mein früheres Zimmer: Das Bett war gemacht, das Fenster hinter dem Katzennetz war weit geöffnet, alles in Ordnung.
Edda Callies mußte mindestens bis zwölf Uhr nachts gearbeitet haben, dachte ich.
Ich holte den Schreibblock und den Kugelschreiber und wollte gerade ins Bett gehen, als ich ein Geräusch im Postschlitz vernahm.
Karte von Vati. Vergnügt und gemütlich. „Es ist so lange her, daß ich von Dir gehört habe, Kind. Ihr seid wohl den ganzen Tag unterwegs, und ich kann mir schon denken, daß Du dann zu keinem längeren Brief kommst. Aber eine Karte könntest Du mir jedenfalls täglich schreiben!“
Ich wollte die Karte mitnehmen; da fiel mir aber etwas ein, und ich legte sie wieder auf den Boden.
Nun war es schön, wieder ins Bett zu kommen. Du liebe Zeit, ich war wohl richtig krank gewesen, wenn ich nach drei Minuten Aufsein wie ein Espenblatt zitterte!
Ich mußte ein paar Minuten liegen, ehe ich mich im Bett aufsetzen und schreiben konnte. Heute sollte Vati einen Brief bekommen. Ich hatte eine großartige Idee. Jetzt konnte ich sowohl „wir“ als „uns“ schreiben, ohne zu lügen. Ja, ich konnte sogar mehr als dies schreiben.
Und so schrieb ich:
„Mein allerliebster Paps, tausend Dank für Deine Karte. Ja, es stimmt, daß ich Dich ein paar Tage vernachlässigt habe, aber denk Dir nur, daß ich mich zum erstenmal in meinem Leben erkältet habe, und da wurde nichts aus dem Schreiben. Jetzt bin ich fast wieder in Ordnung, aber ich bleibe noch zu Hause. E. ist ohne mich in die Stadt gefahren.“
War es vielleicht nicht die reine Wahrheit? Ich hatte kein Wort darüber gesagt, ob E. Edda oder Ellen bedeutete.
Ich schrieb weiter:
„Sie ist übrigens schrecklich streng mit mir, ich darf mich nicht aus dem Hause rühren, ehe sie sagt, daß ich darf. Aber sie ist ja so lieb und so reizend, daß es nicht zu glauben ist, und achtet wie ein Schießhund auf mich. Wir haben es urgemütlich zusammen. Übrigens, Paps, könntest Du mir etwas Geld schicken? Hier kam eine scheußliche Elektrizitätsrechnung, die mußte ich bezahlen, und so ist meine Haushaltskasse etwas mager.
Heute regnet es, da macht es nichts, daß ich zu Hause bleiben muß. Außerdem habe ich die Katzen zur Gesellschaft, und dann will ich ein bißchen Französisch lernen - ja, richtig, ich vergaß ganz zu erzählen, daß ich jetzt wirklich anfange, Französisch zu verstehen, und daß ich mich auch einigermaßen ausdrücken kann. Es kam plötzlich eines Tages, als ich so eifrig
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