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Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Titel: Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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wie sie weiter heißt, wo sie wohnt, ob sie in einer Krankenkasse ist und wenn ja, in welcher?«
    Ich ging wieder ins Schlafzimmer. Marion lag still mit geschlossenen Augen da. Dort stand ihr Campingbeutel, darin hatte sie wohl ihren Ausweis. Ich schnüffele nicht gern in fremden Taschen herum. Aber die Ärmste zu wecken - das brachte ich erst recht nicht fertig. Ich steckte die Hand in den Beutel. Zuerst bekam ich etwas Molliges, Gestricktes zu fassen. Ich zog es heraus, um weiter zu suchen. Dann stutzte ich. Was ich in der Hand hielt, war ein Pullover. Ein Pullover, haargenau wie mein eigener feiner, teurer Bremer Pullover. Der Groschen fiel bei mir. Ich warf noch einen Blick auf Marion. Jetzt wußte ich, wo und wann ich sie gesehen hatte. In einer Seitentasche lag der Ausweis.
    Marion Seising, geboren 22.02.48, in Berlin. Wohnhaft in Hamburg. Ich schrieb alles schnell ab, auch die genaue Adresse. »Das mit der Krankenkasse wissen wir also noch nicht«, murmelte Onkel Doktor. »Na gut, dann stelle ich eben ein Privatrezept aus, so teuer ist das Medikament auch nicht. So, Benno, und jetzt, da ich nun hier bin und keine weiteren Krankenbesuche habe, kannst du deine Zigarrenkiste aufmachen. Vielleicht hast du auch eine Flasche zur Hand?«
    Vati glaubte, im Atelier alles Passende zu haben. Die beiden zogen sich dorthin zurück. Pierre lief zur Apotheke, und wir anderen holten endlich das Nougat-Eis aus dem Kühlschrank. »Ich muß euch was erzählen«, sagte ich.
    »Noch mehr?« fragte Ellen. »Eigentlich haben wir heute genug.«
    »Das alles war nur der Anfang«, sagte ich. »Das dicke Ende kommt erst.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich weiß, wer Marion ist.«
    »Ja, und?«
    Ich drehte mich zu Tante Edda um.
    »Tante Edda, ich möchte dich an das erinnern, was du vor ein paar Tagen sagtest. Ich weiß es noch wörtlich. Wir sprachen von den jugendlichen Verbrechern, und du sagtest: >Ich könnte mir nichts Schöneres denken, als einem solchen jungen Menschen zu helfen!<«
    Niemand antwortete. Drei Augenpaare waren auf mich gerichtet.
    »Ja«, nickte ich. »Jetzt haben wir Gelegenheit dazu. Marion war es, die wir im Fernsehen sahen.«

7.
    Die Uhr schlug zwölf.
    Keiner von uns dachte ans Schlafengehen. Ich hatte wieder zu Marion reingeguckt und ihr die Medizin gegeben. Onkel Doktor war längst nach Hause gefahren. Vati und Pierre saßen nun auch bei uns, und unser Gespräch drehte sich immer um die Frage: Was machen wir mit dem Mädchen?
    Als wir Vati von meiner Entdeckung erzählten, sagte er: »Das Mädchen ist von zu Hause ausgerissen. Eines müssen wir tun, und zwar sofort: die Eltern benachrichtigen.« Schon stand er auf und wollte zum Telefon.
    »Paps«, sagte ich. »Sage den Eltern, sie sollen sich keine Sorgen machen. Solange Marion krank ist, bleibt sie hier.«
    Vati streichelte mir übers Haar.
    »Gut, meine Deern. Ganz meine Meinung. Hoffentlich haben die Leute ein Telefon.«
    Das hatten sie. Vati nahm den Apparat mit ins Schlafzimmer. Nach einer Weile kam er zurück.
    »Ja, es stimmt. Sie ist ausgerissen. Ihre Eltern sind übrigens tot. Sie wohnt bei einem Onkel. Mit ihm habe ich gesprochen. Er kommt übermorgen her. Zuerst wollte er schon morgen reisen. Aber das habe ich ihm ausgeredet. Marion ist viel zu schwach für eine große Abrechnung. Nun, er schien einige Sorgen hinter sich zu haben. Ich sollte meine Tochter grüßen und ihr sehr herzlich danken, daß sie sich so liebevoll um Marion kümmert.« Die Tochter kassierte das Lob mit gebotener Bescheidenheit. »Der Onkel fiel wohl aus allen Wolken?«
    »Ja, es dauerte einige Zeit, bis er alles begriff. Als ich meinen Namen nannte, fragte er mich, ob er mit dem Kunstmaler Dieters spräche. Da seht ihr, wie berühmt ich bin. Als ich sagte, er mache sich gewiß Sorgen um seine Tochter, unterbrach er mich und fragte, ob ich nicht seine Nichte meinte. Ich antwortete, ich spräche von Marion. Als er hörte, sie sei in Sicherheit, schien er erleichtert, aber er hatte keine Ahnung, warum und wieso sie ausgerechnet nach dem Seehundsrücken gefahren sei.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich.
    »Ich kann es mir schon denken«, warf Ellen ein. »Mit den Tagesausflügen vom Seehundsrücken nach Dänemark wird ja in allen Reisebüros Reklame gemacht. Vielleicht hoffte sie, auf diese Weise leicht und unauffällig über die Grenze zu gelangen. Wenn es also so ist, daß sie sich vor dem Onkel verstecken wollte.«
    »Das erfahren wir vielleicht später«, meinte Bernadette.

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