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Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Titel: Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Regentropfen fielen. Und ich hatte meine feine Bluse auf der Wäscheleine! Ich lief ums Haus zurück und holte die Bluse. Dann tat ich, wie ich es tausendmal getan hatte: Statt wieder ums Haus zu gehen, lief ich zu meinem Fenster. Das stand gewöhnlich offen, und ich konnte die Bluse hineinstecken.
    Die Gardinen waren vorgezogen. Ich wollte ganz leise sein, eben nur die Bluse aufs Fensterbrett legen. Lautlos schob ich die Gardine zur Seite. Was in aller Welt.? ’Marion stand am Waschbecken. Sie schien kochendheißes Wasser eingelassen zu haben, denn es dampfte. Und sie hielt einen Brief über den Dampf.
    Anscheinend hatte sie mich bemerkt; sie drehte sich jäh um und versteckte den Brief hinter dem Rücken. »Was machst du da? Du brauchst nicht zu spionieren!«
    »Ich wollte die Bluse durchs Fenster stecken, weil es regnet«, sagte ich. »Mach mal bitte die Tür auf, Marion. Du schläfst ja doch nicht. Ich muß etwas aus meiner Kommode holen.« Sie ging durchs Zimmer, und ich lief zurück ins Haus. Die Zimmertür war auf. Ich ging hinein und machte sie hinter mir zu. »Marion«, sagte ich. »Ja, was ist?«
    »Marion. ich. ich.« Tatsächlich. Ich fand keine Worte. Ich war nur tief unglücklich. Und so vollkommen ratlos, so bitter enttäuscht.
    Mit blassem, verkrampftem Gesicht stand Marion vor mir. »Marion, ich konnte nichts dafür. Ich dachte, du wärst im Bett. Ach, Marion, ich. ich bin so. ich bin so.« Plötzlich stürzten mir die Tränen aus den Augen.
    Marion sagte nichts. Sie blieb regungslos stehen. Endlich fragte sie, leise: »Weinst du meinetwegen?«
    Ich fummelte nach dem Taschentuch, wischte mir die Augen, putzte die Nase. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Aber etwas mußte gesagt werden!
    Es war Marion, die zuerst sprach. »Na gut! Dann packe ich eben meine Sachen.«
    »Nein!« rief ich. »Nein, Marion. Bitte nicht! Bitte, bitte! Bleib doch, Marion! Sei mir nicht böse, daß ich anfing zu heulen. Ich war so unglücklich, weißt du.«
    »Du darfst nicht meinetwegen flennen!«
    »Wenn du wegfährst, heule ich erst recht! Ach, Marion, sprechen wir uns lieber aus, versuchen wir es. Ich gebe dir mein Ehrenwort, daß es unter uns bleibt.«
    »Du besprichst diese. diese Geschichte nicht mit. ja, mit Tante Edda oder deinem Vater?«
    »Diesmal nicht, Marion. Mein Ehrenwort.«
    »Na, gut. Es genügt ja, daß  ein  Mensch mich verachtet. Bitte, hier ist der Brief. Von meinem Onkel an deinen Vater.« Ich drehte den Brief in den Händen. »Marion, mußt du unbedingt wissen, was drin steht?« Sie stand vor mir, sie preßte ihre Hände zusammen; ihre Stimme war halb erstickt.
    »Ja! Ja, ich muß es wissen! Britta, verstehst du es denn nicht? Ich habe es so gut bei euch, ihr seid die liebsten und besten Menschen, die ich getroffen habe, ihr habt mich dazu gebracht, über meine Zukunft nachzudenken, ich will weg von. von all den. den Dummheiten. Ihr seid bereit, mir zu helfen - alles ist schöner denn je in meinem Leben. Und wenn nun der Onkel eine Menge über mich geschrieben hat - Britta, ich habe auch gestohlen, ja ich hab’s, aber hier nicht, hier würde ich es nie tun -, wenn er das nun deinem Vater erzählt hat, dann ist alles aus. Britta, du sagtest, ihr wüßtet Bescheid über mich, aber da ist so viel gewesen, und der Onkel, der denkt ganz anders als ihr. Er darf es nicht zerstören, er  darf  es nicht!« Marion konnte nicht weitersprechen. Sie weinte, weinte so, daß ihr schmächtiger Körper zitterte.
    Da wurde ich ganz ruhig. Ich ließ sie weinen, ich streichelte nur ihren Kopf und wartete, bis sie sich etwas beruhigt hatte. »Marion«, sagte ich leise, »sei nun ruhig, liebe Kleine! Ich werde dir was erzählen. Einmal, vor vielen Jahren, hatte ich in der Schule was ausgefressen und bekam einen Brief mit nach Hause. Ich hatte eine furchtbare Angst. Du ahnst nicht, was für einen Nachmittag ich verbrachte. Ich wußte ganz sicher, daß ich Prügel bekommen würde und höchstwahrscheinlich auch Stubenarrest, und es war ausgerechnet der Tag vor einem Preisschwimmen, bei dem ich große Chancen hatte. Ja, es ging mir damals, wie es dir heute ging. Ich machte den Brief auf. Dann passierte mir aber was Komisches. Jetzt konnte ich ihn lesen - und ich tat es nicht! Ich habe mich furchtbar geschämt. Plötzlich hatte ich nur einen Wunsch, Vati alles zu beichten, meine Strafe hinzunehmen, wie hart sie auch ausfallen mochte. Ich hatte ein so schlechtes Gewissen wie nie in meinem Leben.« Marion horchte

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