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Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Titel: Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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den Staublappen zur Hand. »Versuch es doch mal! Ich fing mit zwölf Jahren an, mit Schnittmustern und Nähmaschine herumzuhantieren.«
    »Ich durfte die Nähmaschine nie benutzen«, sagte Marion kurz. »Und keinen Stoff zerschneiden«, fügte sie hinzu. »Hier darfst du bestimmt beides«, lächelte Bernadette.
    Zwei Tage später suchte ich verzweifelt meinen Fingerhut. Es ist ein sehr feiner Fingerhut, von Omi geerbt. Gold mit einer sehr schönen Ziselierarbeit. Vielleicht im Nähmaschinenkasten? Nein, da war er auch nicht.
    »Marion!« rief ich durch die Küchentür. »Hast du die Nähmaschine benutzt?«
    »Nein!« kam es kurz von der Abwaschecke. Ich suchte weiter -erfolglos.
    Am gleichen Nachmittag sagte Bernadette plötzlich: »Na, was machen die Nähkünste, Marion? Wird eine Bluse daraus?« Marion murmelte etwas.
    »Du schaffst es bestimmt«, sagte Bernadette ahnungslos. »Als du beim Friseur warst, Britta, hat Marion nämlich genäht, daß die Maschine glühte. Sie ist eine Näh-Naturbegabung!« Marion stand auf und ging aus dem Zimmer. Ich machte den Mund auf, um zu erzählen, aber dann fragte ich Bernadette nur, ob sie zufällig irgendwo meinen goldenen Fingerhut gesehen hätte.
    »Ach ja! Das hab ich ganz vergessen!« rief Bernadette. »Den rettete ich heut aus den Händen meiner unternehmungslustigen Tochter. Er liegt in dem Zinnschälchen auf dem Kaminsims.«
    Als ich dann mit Marion allein war, fragte ich sie:
    »Warum wolltest du nicht erzählen, daß du die Maschine benutzt hattest, Marion?«
    Keine Antwort.
    »Du alter Trottel. Hier brauchst du doch nicht zu lügen! Warum tust du das?«
    »Weiß nicht. Alte Angewohnheit. Außerdem hättest du dann gedacht, ich hätte deinen blöden Fingerhut geklaut.«
    Da schossen mir die Tränen in die Augen. Ich legte den Arm um Marions Schultern.
    »Ach, laß mich in Ruhe mit deiner Bonbonsentimentalität!« fuhr Marion mich an.
    Ich ließ sie in Ruhe. Wie schwer war es doch, aus dem Mädchen schlau zu werden!
    Dann ging sie mit Barry zum Strand und kam froh und aufgekratzt nach Hause, war reizend und lieb in ihrer stillen Weise. Am Abend saß sie vor dem Fernsehapparat, gebannt von einem Boxkampf, bei dem es ziemlich hart zuging.
    »Daß du das magst!«
    »Es ist wahnsinnig spannend!« sagte Marion.
    Ich betrachtete sie aufmerksam. Ihr Blick klebte am Schirm.
    »Hast du schon in der Wirklichkeit Boxkämpfe gesehen?«
    »Und ob! Klasse, sag ich dir!«
    Plötzlich schwieg sie, ihr Gesicht wurde blaß. Sie starrte, starrte auf den Schirm. Es wurde gerade ein Ausschnitt von den gebannten Gesichtern des Publikums gezeigt.
    An dem Abend merkte ich, daß Marion lange wach lag. Sie sprach nicht, aber sie warf sich im Bett hin und her und atmete ganz anders als im Schlaf.
    »Ihr seid mir eine Bande netter Kameraden!« sagte ich am nächsten Abend, als wir vor dem Kamin saßen. Nur Marion fehlte. Sie machte mit Barry einen Abendspaziergang.
    »Wieso?« erklang es vierstimmig.
    »Wieso? Wenn die Probleme sich häufen und ich gute Ratschläge von älteren, erfahrenen Menschen brauche, dann sind alle weg! Ellen studiert Jura oder Herzangelegenheiten oder Myalgien oder was es ist, auf der Kurhausterrasse, Bernadette schreibt Briefe und ist nicht ansprechbar. Ihr beide« - ich sah Vati und Tante Edda vorwurfsvoll an - »ihr beide, ja, wo treibt ihr euch eigentlich den lieben langen Vormittag herum? Natürlich, wieder Strandwanderungen.«
    »Also blieb dir nur Lillepus«, sagte Bernadette.
    »Lillepus spielte mit den Kindern im Kinderheim. Du hattest sie selbst dort hingebracht, teure Freundin! Nee, mir blieb nur Marion, der Ursprung der Probleme.«
    »Na, dann spuck jetzt aus«, sagte Vati.
    Es war zu spät. Der Gegenstand des Gesprächs kam gerade mit Barry zur Tür herein.
    »Höre, Britta«, sagte Inkens Mutter. Ich war auf einen Sprung rübergelaufen, um das elektrische Waffeleisen zu borgen: »Diese Marion ist doch ein tolles Mädchen!«
    »Wieso, Tante Kirsten?«
    »Nun, Jan hatte sie heute gesehen. Sie kletterte wie ein Affe vom Kliff runter und den alten Pfad hinauf. Sie muß doch die Warnschilder gesehen haben!«
    »Bist du ganz sicher, daß es Marion war?« fragte ich. »Na, klar! Jan kennt doch das Mädchen. Du mußt sie warnen, Britta. Ein Sturm noch, und wir haben einen neuen Erdrutsch. Erst vorige Woche bröckelte wieder eine ganze Ecke ab.« Tante Kirsten hatte allen Grund, dies zu erzählen. Oben auf dem Kliff stand ein großes, nicht zu übersehendes Schild:

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