Braut der Nacht
hatte ihn an jedem Vollmond der vergangenen fünf Jahre ignoriert. Ich würde ihn auch diesmal ignorieren.
Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür der Blockhütte.
Was denn nun schon wieder?
Sie fiel wieder zu, und ich wartete, ohne mich umzudrehen. Nathanial. Er musste es sein– Bobby hätte längst etwas gesagt. Ich hörte ihn nicht die Stufen herunterkommen, aber unvermittelt erfüllte seine Körperwärme die Luft in meinem Rücken. Seine Hände legten sich auf meine Schultern, dann wanderten seine Finger zu meinem Haar und durchkämmten es sanft.
Ich verspürte das Bedürfnis, mich an ihn zu schmiegen, meine Arme um ihn zu legen und seinen Duft zu atmen. Nachdenklich trat ich einen Schritt von seinen Händen fort und drehte mich um. Gefahr hatte uns in Demur zueinander hingezogen, aber jetzt waren wir wieder zu Hause. Und wir müssen uns unterhalten.
Aber meine Zunge lag zu schwer in meinem Mund und betäubte meine Worte. Es juckte mich in den Füßen, mich zu bewegen. Vielleicht einen kleinen Spaziergang durch die Wälder …
Nein.
Ich hatte meine Entscheidung getroffen, nicht mehr wegzulaufen. Also war ich hier und stellte mich den Dingen. Ich schluckte und schlang die Arme um meine Brust. Es war nicht so, dass ich diese Geste als Trost brauchte, nun ja, zumindest nicht ganz so, aber mehr als alles andere hatte ich Angst davor, dass ich sonst die Hand nach Nathanial ausstrecken könnte.
»Wann sollen wir Tatius treffen?«, fragte ich, weil irgendetwas die Stille füllen musste.
»Er wird uns ein paar Nächte zugestehen, bevor er unsere Anwesenheit verlangt. Wir sollten ihm bereits vorher aus freien Stücken Bericht erstatten.«
Aber er schlug nicht vor, dass wir gleich gehen sollten oder auch nur im Laufe der Nacht. Keiner von uns beiden war schon wieder bereit, sich mit noch mehr Vampirpolitik auseinanderzusetzen. Aber wir würden gehen. Irgendwann. Das mussten wir. Und dann würden wir herausfinden, was genau Tatius damit gemeint hatte, als er sagte: »unsere Gefährtin«. Ich freute mich nicht auf diese Unterhaltung.
Aber bevor es so weit war, gab es noch etwas anderes, das ich wissen musste. Und das bedeutete, diese andere Unterhaltung zu führen, der wir beide schon die ganze Nacht aus dem Weg gegangen waren.
»Also, wie sieht es aus, Nathanial? Das, was ich für dich empfinde, ist das echt? Bin das ich? Du? Diese dämliche, mondverfluchte Vampirbindung, die wir miteinander teilen? Was ist es?«
Er stieß seinen angehaltenen Atem aus. »Kätzchen, meine Kräfte kontrollieren die Wahrnehmung. Die Fähigkeit, das Auge zu täuschen, die Ohren. Meine Fähigkeiten haben keine Macht über Gefühle.« Er senkte den Blick. »Deine schon.«
Meine Hände fielen schlaff herunter, und ich starrte ihn an, doch ich hatte kaum Zeit, die Bedeutung seiner Worte zu erfassen, und noch weniger, um darauf zu antworten, bevor Magie über meine Haut kroch– Magie, die sich nicht nach Gil anfühlte– und grünes Licht hinter mir aufblitzte.
Ich wirbelte herum. Wenige Schritte hinter mir stand der Richter. Missbilligend betrachtete er den Schnee, in dem seine polierten Schuhe steckten, dann vollführte er eine kleine Geste, und der Schnee begann, in einem Umkreis von einem Meter um ihn herum zu schmelzen, und war einen Herzschlag später verschwunden. Er nickte selbstgefällig und zog seinen makellosen Maßanzug zurecht. Dann sah er mich an. Nathanial legte seine Hand über meine, und ich ergriff sie.
»Hallo, meine kleine gefährdete Abscheulichkeit«, sagte der Richter, und seine Lippen kräuselten sich, um glatte, weiße Zähne zu enthüllen. »Ich habe einen Auftrag für dich.«
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