Braut der Nacht
Vampiren.
Tatius lächelte spöttisch, und seine grünen Augen glühten im Kerzenlicht. »Gefährten bleiben bei ihren Meistern.«
Er zog mich auf den Tisch zu– und die zu wenigen Stühle. Nachdem er sich auf den Platz in der Mitte gelümmelt hatte, klopfte er sich auf den Schenkel.
Oh, das meint er doch wohl nicht ernst!?
O doch.
Mit zusammengebissenen Zähnen und kerzengeradem Rücken setzte ich mich auf sein Bein, sorgsam darauf bedacht, den größten Teil meines Gewichts selbst zu tragen. Doch so einfach ließ er mich nicht davonkommen. Er schlang einen Arm um meine Taille und zog mich weiter auf seinen Schoß.
Und jetzt lächle meine Vampire an, ertönte seine Stimme in meinem Kopf.
Verdammt, ich würde diese Abmachung nicht einhalten können. Nicht wenn er so weitermachte. Vorsichtig riskierte ich einen Blick zu Nathanial. Er starrte unverwandt geradeaus– was bedeutete, dass er die einzige Person im Raum war, die Tatius’ kleine Show nicht beobachtete. Ich holte tief Luft und zeigte den an der Wand versammelten Vampiren meine Zähne.
Tatius nickte. Siehst du, war doch gar nicht so schwer.
Sagt er! » Ich dachte, du willst, dass ich unauffällig bleibe«, flüsterte ich.
Widersprichst du mir etwa bereits?, fragte er in meinem Kopf, und ich senkte den Blick. Ich wollte Nathanial oder mich nicht wegen einer dummen Frage in Gefahr bringen. Tatius’ Griff an meiner Hüfte verstärkte sich. Die Gefährten anderer Meister sind nicht wichtig genug, um mit mehr als geheucheltem Interesse zur Kenntnis genommen zu werden, besonders wenn sie ihren Meistern gegenüber offene Zuneigung zeigen. Das wäre unhöflich. Also arbeite an dieser Zuneigung.
Unhöflich? Ich sah mich um und bemerkte, dass mich keiner der anwesenden Vampire mehr anstarrte. Tatsächlich gaben sie sich, nun da sie ihre Überraschung, mich an Tatius’ Arm eintreten zu sehen, überwunden hatten, ausdrückliche Mühe, nicht herzusehen. Ich muss über Vampirpolitik noch eine Menge lernen. Und ich hatte das Gefühl, dass ich bald einen Crashkurs bekommen würde. Na prima!
Laut sagte Tatius: »Ich habe nach der Sammlerin rufen lassen.«
Die Atmosphäre im Raum, ohnehin bereits schwer vor Neugier, wurde bei diesen Worten rastlos. Schuhe scharrten über den Boden, als die Vampire an der Wand von einem Bein aufs andere traten, und Nuri, die an Tatius’ Seite saß, strich sich mit ihren kleinen Händen glättend über den karierten Rock.
Tatius legte einen seiner gestiefelten Füße auf den Tisch und hob die Hand. Die Vampire verstummten, und Stille hüllte den Raum ein. Ich wollte aufstehen oder wenigstens herumzappeln, aber Tatius’ Arm um meine Taille hielt mich fest.
Also wartete ich. Wir alle warteten.
Dann schwangen die Türen auf und gaben die Sicht auf den dunklen Gang dahinter frei. Die Luft im Zimmer wurde dünn, als jedes untote Geschöpf darin erwartungsvoll einatmete.
Ein Mann trat durch die Tür. Um genau zu sein duckte er sich unter dem Türrahmen durch– und der war nicht gerade niedrig. Ich blinzelte, als er sich wieder aufrichtete und sein Kopf beinahe die knapp drei Meter hohe Zimmerdecke streifte. Der Riese, mit dem sich Nathanial früher an diesem Abend unterhalten hatte, trug immer noch den braunen Gehrock mit der üppigen Spitze an Manschetten und Kragen, aber er hatte die Maske abgenommen, und das schulterlange kastanienbraune Haar hing ihm nun offen um sein flächiges Gesicht. Elizabeth, der Vampir, der von der Sammlerin herbeigerufen worden war, um Nuri zu »helfen«, spazierte an der Seite des Riesen herein. Sie hatte ebenfalls ihre Maske abgenommen, darunter war ihr Gesicht so starr und blass wie das einer Porzellanpuppe, mit ein paar Farbklecksen auf Augen und Wangen.
Die Schritte des Riesen waren kurz, nicht, weil er sich Mühe gab, langsam zu gehen, sondern als habe er es sich zur Gewohnheit gemacht, seine Schritte an ihre anzupassen. Er neigte den Kopf, als er die Mitte des Raums erreichte, und Elizabeth machte einen tiefen Knicks, wobei sie ihr Kleid in einer gekonnten Zurschaustellung weißer Spitze anmutig auffächerte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Tatius ihnen zunickte, dann drehten sie sich um und richteten den Blick zurück zur Tür.
Als Nächstes kamen zwei Männer herein. Sie hielten sich leicht von uns und voneinander abgewandt, sodass ihre Schultern in die Ecken des Raums zeigten und ihre Hüften sich berührten. Ihr blondes Haar schimmerte orangefarben im flackernden Kerzenschein, während
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